Der letzte Werwolf
ist.“
Dorian nickte interessiert.
„Also …“ Phil schaltete die Deckenlampe ein. „Alle Geräte funktionieren mit Strom, auch diese Lampe. Und ein Blitz ist nichts anderes als Strom, man könnte auch sagen elektrische Energie.“
Sichtlich beeindruckt betätigte Dorian den Lichtschalter. „Mithin ist man heutigentags befähigt, Blitze in Laternen zu stecken?“
„So ähnlich.“
Dorian schob anerkennend das Kinn vor. „Eine vorzügliche Erfindung! Ohne Ruß und Gestank – fürwahr, vorzüglich!“
Herr Bozzi saß erwartungsvoll neben dem Küchentisch, als sie sich zum Frühstück niederließen. Da außer Isolde keiner in der Familie Vegetarier war, duftete es nach Aufschnitt und Käse, und beides zog er seinem Futter vor.
Valentina schob Dorian den Teller mit der Wurst hin und deutete auf die Salami. „Probier! Die ist erstklassig!“
„Verehrte Mademoiselle, verzeihen Sie Ihrem untertänigsten Diener, wenn er Ihrem freundlichen Befehle nicht gehorchet. Doch wie mir soeben in den Sinn gekommen ist, muss ich mich tierischer Kost enthalten.“
„Das wird Isolde gefallen“, sagte Phil.
Dorian warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Unsere Großmutter“, sagte Valentina und stand auf, Honig zu holen. „Sie ist auch Vegetarierin.“
„Der Immen süßer Saft“, bemerkte Dorian entzückt, als sie das Glas vor ihn hinstellte. „Es wird mir eine Freude sein, Ihrer hochverehrten Madame grand-mère die ergebenste Aufwartung zu machen.“
Valentina und Phil sahen sich an. Beiden schoss derselbe Gedanke durch den Kopf. Was würde Isolde zu dem merkwürdigen Benehmen ihres Gastes sagen?
Mit großem Appetit verdrückte der Junge ein Honigbrot nach dem anderen.
Herr Bozzi teilte die Vorliebe seines neuen Freunds für vegetarische Kost ganz und gar nicht. Nachdem Valentina und Phil seinen durchtriebensten Bettelblick dauerhaft ignorierten, begann er, vor sich hin zu nörgeln.
„Gib Ruhe, Herr Bozzi!“ Phil bedachte den kleinen Hund mit dem erhobenen Zeigefinger.
„Mit Verlaub …“ Dorians Miene zeigte äußerste Verwunderung. „Was für ein extraordinärer Name für einen Hund!“
Valentina lachte. „Isolde hat ihn so genannt. Es gab da in den Fünfzigern einen Film. Der Hund, der Herr Bozzi hieß. Ein hartherziger Hausbesitzer, der seine armen Mieter schikaniert, wird von einer alten Frau verflucht und in einen Straßenköter verwandelt.“
„Film …“, sagte Phil. „Woher soll Dorian wissen, was ein Film ist?“ Er wandte sich seinem Gast zu. „Also, du musst dir das so vorstellen …“
Dorian hob abwehrend die Hand. Phil verstummte überrascht.
Der Blick des blonden Jungen ging ins Leere. Nach Sekunden angespannten Grübelns ließ er enttäuscht die Schultern hängen.
Valentina sah in fragend an.
„Mir war …“ Dorian seufzte. „Indes, der Funke des Erinnerns ist verglüht, noch ehe ich ihn fassen konnte.“
Herr Bozzi setzte in einem neuen Versuch winselnd die Vorderbeine auf Valentinas Stuhl, wohl wissend, dass ihr Herz am leichtesten zu erweichen war. „Herr Bozzi. Runter!“ Valentina wehrte ihn ungeduldig ab, was den Hund aber nur zu mehr Lautstärke herausforderte.
„Bozzi!“ Herr Bozzi fuhr herum, als er Dorians sanfte, aber bestimmte Stimme hörte. Der Junge gab ihm einen Wink, worauf der Hund das Jaulen einstellte und sich folgsam auf den Boden legte.
Fassungslos starrten die Geschwister ihren Gast an. „Wie hast du das denn angestellt?“
„Ohne Madame grand-mère zu nahe treten zu wollen – es ziemt sich nicht, den Hund zu einem Herrn zu machen“, bemerkte Dorian und biss in sein Honigbrot.
K APITEL 4
D as Staunen Dorians über die selbstverständlichsten Dinge eines modernen Alltags begleitete sie weiter durch den Tag.
Phil versuchte, ihm in einfachen Worten zu erklären, wie die vielen Geräte im Haus funktionierten. Sein Schüler zeigte sich als wissbegierig und gelehrig, auch wenn er dazu neigte, Dinge, die ihm zu absurd erschienen, mit seinen Mitteln zu begründen. Vor allem die modernen Medien, vom Fernseher bis zum Computer, überstiegen sein technisches Vorstellungsvermögen.
„Mich dünkt, der Alchemie sei itzt gelungen, mirakulöse Dinge zu erschaffen, die man einstmals Teufelswerk genannt hätte. Spiegelungen und auch Klänge von weit her einzufangen, in einen Kasten zu bannen, der in belebten Bildern schwelgt, – welch Wunderding!“
Trotz seiner Faszination für den Fernseher schienen ihm die ständig wechselnden Szenen, die
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