Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
Vom Netzwerk:
hatte sich zurückgelehnt, die Hände über der Brust gekreuzt, blickte er traumverloren an die Decke.
    Die Melodie erfüllte noch sekundenlang den Saal, als der letzte Ton verklungen war. Mit einem tiefen Atemzug stemmte sich der Professor hoch. „Sehr schön. Ich denke, wir können uns jetzt ein Bild machen.“ Er blickte zur Jury, von wo aus man ihm bestätigend zunickte.
    Ein ungewohnt milder Zug verklärte das Gesicht der Lehrerin. „Ich möchte ja nicht vorgreifen …“ Einer abwehrenden Handbewegung ihres Chefs folgend, hielt sie inne.
    „Danke“, sagte der Professor zu Dorian gewandt, „du hast uns eine beeindruckende Probe deines Könnens gegeben. Aber die Entscheidung muss trotzdem noch mit dem Plenum abgestimmt werden.“
    Isolde sprang auf und lief strahlend zum Flügel. „Ich hab dir doch gesagt, dass er großartig ist! Und er spielt fast ebenso gut Klavier.“
    Der Professor lächelte. „Ihr werdet in den nächsten Tagen von mir hören.“
    Valentina und Phil kamen zu Dorian, der die Geige im Kasten verstaute. „Das Stipendium hast du so gut wie in der Tasche“, sagte Phil. „Echt klasse!“
    Valentina senkte die Stimme. „Du hast sogar die olle Giftschlange zum Lächeln gebracht, das reinste Wunder.“
    Phil zwinkerte ihr zu. „Er hat eben eine ganz besondere Wirkung auf Frauen.“
    Seine Schwester warf ihm einen vernichtenden Blick zu, während ihr schon wieder das Blut in den Kopf stieg.
    Dorian faltete das seidene Taschentuch sorgsam zusammen. „Es war das Tüchlein ganz allein, liebste Valentina, das meinen Genius inspirierte.“
    „Du warst einfach großartig!“, sagte Isolde stolz, als sie über die Treppe des Neubaus das Gebäude verließen. Sie legte den Arm um Dorian, der sie um mehr als einen Kopf überragte, und deutete strahlend zum Himmel. „Sogar die Sonne hat dein Spiel aus den Wolken gelockt. Was haltet ihr davon, wenn wir Herrn Bozzi abholen und ich euch zur Feier des Tages zu einem Eisbecher auf den Flussterrassen einlade?“
    Phil und Valentina sahen sich an. „Das wäre super“, sagte Valentina nach einer zögernden Pause, die Isolde mit einem fragenden Stirnrunzeln quittierte. „Aber wir haben Dorian versprochen, ihm das Treuenstein-Museum zu zeigen. – Willst du mitkommen …?“
    Isolde beantwortete ihre halbherzige Frage mit einem Kopfschütteln. „Herr Bozzi muss raus. Na, macht nichts, dann eben ein anderes Mal.“ Damit zückte sie ihren Geldbeutel und drückte ihrer Enkelin augenzwinkernd einen Schein in die Hand. „Kulturinteresse muss schließlich gefördert werden, außerdem bekommst du sowieso noch Geld für die Tomaten.“ Dann deutete sie auf den Geigenkasten, den Dorian vor der Brust hielt. „Gib her, den nehm ich mit heim!“
    „Übrigens, ehe wir's vergessen“, sagte Phil, als Isolde schon außer Hörweite war. „Ich krieg noch Geld von dir, Schwesterchen.“
    Valentina verzog den Mund. „Könntest du bis nächste Woche warten? Dorian hat doch der Bettlerin mein ganzes Taschengeld vermacht.“
    „Liebste Valentina, verzeihen Sie“, mischte sich Dorian ein. „Doch war kein einziger Silbertaler in Ihrem Portemonnaie, nur Münzen minderer Qualität.“
    „Und die Geldscheine?“ Sie verdrehte die Augen. Als sie Dorians verständnislosen Blick sah, ging ihr auf, dass ihm Papiergeld unbekannt sein musste. Sie zeigte ihm die Banknote, die Isolde ihr gegeben hatte. „Schau, so sehen heute Silbertaler aus!“
    Der Junge runzelte die Stirn. „Der bunte Zettel aus Papier erscheint mir nicht von Werte.“
    „Ist er aber“, sagte Phil. „Damit bezahlen wir jetzt den Eintritt. – Kommt!“

K APITEL 15
    I n den Sommermonaten waren Park und Palais ein beliebtes Ausflugsziel. Unzählige Touristen drängten sich zwischen den Steinlöwen die geschwungene Freitreppe hoch.
    Phil blies die Wangen auf, als sie sich in dem überfüllten Foyer bis zur Kasse vorarbeiteten. „Verdammt, das ist ja eine ganze Busladung!“
    „Ihr habt Glück, gleich beginnt eine Führung, die ist im Preis enthalten“, sagte die Frau hinter dem Tresen, während sie ihnen routiniert die Eintrittskarten hinschob.
    „Eine Führung ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können“, zischte Phil. „Ist euch eigentlich klar, dass wir den Dolch – falls wir ihn überhaupt finden – heimlich mitgehen lassen müssen.“
    Valentina biss sich auf die Lippen. So genau hatte sie sich das noch gar nicht überlegt. Aber klar, natürlich würde man ihnen im Fall des Falles

Weitere Kostenlose Bücher