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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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enttäuscht. Hier wurden ausschließlich Jagdwaffen präsentiert, hauptsächlich Flinten mit aufwendig gearbeiteten Schäften. An Klingen gehörten neben einigen Jagdmessern lediglich zwei Hirschfänger zur Sammlung. Von einem silbernen Damendolch keine Spur.
    Enttäuscht folgten sie der Meute ins nächste Zimmer. Vor einem fast mannshohen Kamin mit rot-weißer Marmoreinfassung stand ein gewaltiger Schreibtisch, dahinter ein hochlehniger Polsterstuhl mit geschnitzten und vergoldeten Verzierungen. Ein Seil hinderte neugierige Besucher daran, den Stücken zu nahe zu kommen.
    „Hier erledigte Ferdinand von Treuenstein seine Amtsgeschäfte“, erklärte die Führerin gerade, als die Nachzügler eintraten, und hielt dann einen Vortrag über den einmaligen Erhaltungszustand der Möbel und den Kunstschreiner, der den Schreibtisch aus exotischen Edelhölzern gefertigt hatte.
    Während Dorian stumm in Erinnerungen versank, warf Phil seiner Schwester einen ratlosen Blick zu. Auch in diesem Zimmer war nichts, was sie weiterbrachte. War es nicht überhaupt naiv gewesen, den Dolch im Palais finden zu wollen? Valentina zuckte ebenso ratlos mit den Schultern. Wenig hoffnungsvoll folgten sie der Gruppe durch die nächsten Räume, in denen es neben sehenswertem Mobiliar und einigen Gemälden auch wieder Vitrinen gab. Doch beherbergten diese nur Stücke des Tafelsilbers mit dem gräflichen Wappen, Kristallgläser, bemalte Vasen und Porzellanfiguren. Ein kleiner Reiter erregte Dorians Aufmerksamkeit. „Es gab derer im Speisezimmer noch etliche. Die liebe Frau Mama gestattete es mir, damit zu spielen, wenn ich beim Essen artig gewesen war.“
    „Der nächste Raum ist etwas ganz Besonderes.“ Snickis durchdringendes Organ riss ihn aus seinem Kindheitstraum. Die kleine Museumsleiterin winkte ihre Herde weiter. Ahs und Ohs folgten, und wieder wurde eifrig fotografiert. „Dies ist das Spiegelkabinett, das Ferdinand von Treuenstein seiner Gemahlin Margareta zur Silberhochzeit schenkte. Spiegel waren seinerzeit ein Luxusgut. Vor allem große Spiegel anzufertigen, war technisch aufwendig und teuer. Deshalb ist das Kabinett auch nicht besonders groß, doch beachten Sie die optische Vergrößerung durch die Spiegelungen und die wunderschönen vergoldeten Stuckfassungen in typischer Rokokomanier.“
    Valentina sah sich um. Sie stellte sich vor, wie reizvoll sich das Kerzenlicht in den gläsernen Kandelabern zwischen den Spiegeln vervielfältigt haben musste. Dorian, der neben ihr stand, blickte nicht weniger staunend um sich. „Das Kabinettchen ist mir gänzlich neu, es ward gebaut, da wir bei den Marianerinnen weilten, die liebe Frau Mama und ich. Wenn ich mich recht erinnere, war hier dereinst das Ankleidezimmer der Madame grand-mère.“ Er näherte sich einem der vielen in Goldstuck eingelassenen Spiegel, um ihn genauer zu betrachten.
    Phil, der ihm gefolgt war, drehte sich abrupt zu Valentina und gab ihr ein verstohlenes Zeichen. Nun sah es Valentina auch. Obwohl Dorian direkt davorstand, bildete ihn der Spiegel nicht ab. Während die Geschwister ihre erschrockenen Gesichter klar und deutlich vor sich sahen – war von Dorian rein gar nichts zu erkennen. Zwei Frauen näherten sich, tuschelnd auf den Spiegel deutend. Phil schob den verdutzten Dorian unsanft in die Mitte der Besucherschar. Die Frauen tauschten verwirrte Blicke.
    „Hübsch, die vielen Spiegel!“, sagte Valentina. „Vor allem die optischen Täuschungen.“
    Die beiden Besucherinnen nickten unsicher.
    Stolz auf ihre Schlagfertigkeit dachte Valentina über die Bedeutung der Spiegelsache erst richtig nach, als sich der Pulk schon ins nächste Zimmer bewegte. Schlagartig kam ihr eine mögliche Erklärung in den Sinn: Spiegel hatten weder Bewusstsein noch Gefühl. Wie sollten sie die Schwingungen eines Geistes auffangen? Sie hingegen war ein denkender, fühlender Mensch. Sie konnte es und doch … Sie sah zu dem blonden Kopf, der aus der Menge ragte. Verdammt, Dorian war doch kein Geist! – Sie starrte auf seinen Zopf. Aber ein normaler Mensch war er auch nicht. Dank des Tranks, den man ihm eingeflößt hatte, hatte er weit über zweihundert Jahre überlebt. Sie presste die Lippen aufeinander. Würde er wieder zu einem normalen Menschen aus Fleisch und Blut werden, wenn alles überstanden war? Ihr Magen krampfte sich zusammen. – Wenn alles überstanden war …?
    Mit kräftigem Händeklatschen trommelte die resolute Snicki ihr Rudel zusammen. „Folgen Sie mir nun

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