Der letzte Weynfeldt (German Edition)
Saalbeleuchtung wurde nicht heruntergefahren wie im Konzert oder im Theater. Der Auktionator begrüßte das Publikum, brachte ihm kurz die wichtigsten Spielregeln in Erinnerung und rief das erste Los auf. Eine Zeichnung von Hodler, die Studie einer Frauenfigur in langem Kleid, Öl und Kohle auf Papier. Lorena sah da und dort eine Hand mit einer Nummer in die Höhe schnellen, der Auktionator steigerte den Preis in kleinen Schritten, stieß ziemlich bald auf Desinteresse und schlug das Bild einem älteren Herrn in der vordersten Reihe zu, dessen Schultern schuppenübersät waren. Er hielt ein kleines Notizbüchlein nahe vor die Augen, und es sah aus, als ob er etwas abhakte oder durchstrich.
Lorena richtete sich auf einen langweiligen Nachmittag ein. Es gab nur ein einziges Los, das sie interessierte, und das kam erst gegen Ende dran. Na ja, vielleicht noch ein zweites: das Porträt von Adrians Mutter. Aber auch das hatte eine hohe Nummer.
Weynfeldt hatte es bestimmt gutgemeint, als er sie in die zweite Reihe setzte. Aber so konnte sie die Leute nicht beobachten. Sie würde sich lieber etwas weiter hinten befinden.
Die Hodler-Studie war kein guter Anfang gewesen. Knapp über dem Mindestgebot war sie weggegangen. An Riedel. Alles, was an Riedel geht, ist zu billig weg, darauf kann man sich verlassen.
Weynfeldt saß vor seinen zwei Telefonen und verfolgte den Verlauf der Auktion. So, wie sie sich angelassen hatte, rechnete er mit knapp drei Stunden. Gut zwei bis zu Los Nummer 136, »La Salamandre«, auf das die meisten warteten. Seine beiden Leitungen waren noch stumm. Erst eine halbe Stunde vorher würde er die Verbindung mit seinen zwei Sammlern herstellen.
Er musste immer wieder zu Lorena hinsehen. Sie saß dort wie ein Kind in einer Mischung aus Ungeduld, Neugier und Langeweile und interessierte sich weniger für die Lose als für die Bieter. Immer wieder wandte sie sich um in die Richtung, in die der Auktionator wies, um zu sehen, wer das Gebot gemacht oder den Zuschlag erhalten hatte.
Er war zuversichtlich für den Vallotton. Neben seinen Telefonbietern saßen auch noch Blancpain und Chester persönlich im Publikum. Zwischen diesen vier würde sich die Sache wohl abspielen. Er sah, wie Lorena zwischen zwei Losen aufstand, zu ihm herüberlächelte und sich ein paar Reihen weiter nach hinten setzte.
Was waren das für Leute hier? Viele aus dem Kunstbusiness, das sah man ihnen an. Andere hatten vielleicht mit einem der Bilder zu tun. Besitzer, oder Verwandte von Besitzern. Dann gab es Studenten und Leute, die nichts Besseres zu tun hatten. Und dann waren da noch die, die Lorena wirklich interessierten: Die, die es sich leisten konnten, an einem Nachmittag ein paar Zehntausender oder Hunderttausender liegenzulassen. Die wollte sie sich anschauen. Deshalb hatte sie sich ein paar Reihen weiter nach hinten gesetzt.
Die Gleichmut, mit der sie ihre Nummern hochhielten, die Unbekümmertheit, mit der sie den Zuschlag entgegennahmen und die Gelassenheit, mit der sie das Feld einem Mitbieter überließen, faszinierten sie.
Während der ganzen Auktion hatte im Saal ein ständiges Kommen und Gehen geherrscht. Aber jetzt gingen viele Leute hinaus, nur ein paar wenige behielten ihre Plätze. Erst als Adrian neben ihr stand und ihr die Hand einladend entgegenhielt, merkte sie, dass die Pause begonnen hatte.
»Wie findest du es?« Sie standen in der Lobby, sie mit einem Glas Champagner, er mit einem Mineralwasser.
»Wahnsinn«, gestand sie. »Und du? Bist du aufgeregt?«
»Aufgeregt nicht, aber gespannt. Wie unsere Schätzungen liegen, ob wir unser Ziel erreichen, ob wir es übertreffen, um wie viel wir es übertreffen, ob der magische Moment eintritt.«
»Der magische Moment?«
»Wenn ein Los plötzlich zu glühen beginnt. Wenn mehrere Bieter sich hochschaukeln, sich in etwas hineinsteigern, alle Vorsicht und alle Vernunft fallenlassen. Das ist der magische Moment.«
Und der magische Moment blieb nicht aus für den Salamander. Schon zwanzig Lose davor hatte sich der Saal bis zum Bersten gefüllt. Alle Sitzplätze waren besetzt, und in den Seitengängen standen die Leute dicht an dicht.
Im Mittelgang und vor dem Podest hatten zwei Fernsehteams ihre Kameras aufgebaut und wurden vom Sicherheitsdienst daran gehindert, das Publikum zu filmen.
Weynfeldt, Véronique und der junge Mann hatten jetzt ihre Verbindungen aufgebaut und sagten ab und zu etwas in die Sprechmuscheln.
Immer noch, zwei Lose vor dem Salamander, kamen
Weitere Kostenlose Bücher