Der letzte Weynfeldt (German Edition)
aus«, sagte Baier.
»Zug um Zug, haben wir abgemacht. Du packst das Geld aus und ich das Bild.«
»Traust mir nicht.«
»Nein. Würdest du?«
»Nein.« Der Alte zeigte zur Kommode, über der früher der Vallotton hing. »Dort, oberste Schublade.«
Adrian öffnete die Schublade. Sie war leer bis auf drei Stapel gebündelter und mit Banderolen versehener Tausendernoten.
»Und jetzt das Bild!«, befahl Baier.
Weynfeldt brauchte eine Weile, bis er das Klebeband von der Folie gerissen hatte. Als er endlich so weit war, fragte er: »Auf die Staffelei oder an seinen alten Platz?«
»Hierher«, befahl Baier. Adrian brachte ihm das Bild. Der alte Mann nahm es entgegen, sah es sich an und drückte dann einen Kuss auf den Hintern der Frau. »Willkommen daheim, Schatz!«
Er gab es zurück an Adrian. »Jetzt kannst du sie an ihr Plätzchen hängen. Noch ein paar Tage, dann reisen wir zusammen in den Süden.«
Weynfeldt hängte das Bild über die Kommode und begann die Bündel aus der Schublade zu zählen.
»Ich sag’s dir gleich, es sind nur zwanzig.«
Weynfeldt hielt inne. »Es müssen sechsundzwanzig sein.«
»Ach komm, Adrian, sei vernünftig. Mit mehr als dreieinhalb Millionen konnte niemand im Ernst rechnen.«
»Alles, was über anderthalb liegt, lautet die Abmachung.« Er war rot angelaufen, und seine Hilflosigkeit gegenüber jeder Form von Unverfrorenheit machte sich wieder bemerkbar. »Es müssen sechsundzwanzig sein«, wiederholte er.
»Sei vernünftig, Adrian. Du bist reich, was willst du einem alten Mann das Geld für seinen Lebensabend streitig machen. Zwei Millionen, das ist doch mehr als großzügig.«
Weynfeldt nahm aus seinem Mantel eine zu einem kleinen Päckchen zusammengefaltete Nylontasche, entfaltete sie und begann sie mit den Notenbündeln zu füllen. »Es ist einfach nicht okay«, murmelte er dazu, »einfach nicht okay.«
Die Banderole des zweitletzten Bündels war zerrissen. Weynfeldt warf Baier einen fragenden Blick zu.
»Eine unvorhergesehene Ausgabe«, erklärte der, »fünfzig.«
Adrian suchte nach Worten. »Du bist einfach kein Ehrenmann, Klaus«, sagte er dann.
»Das bist du jetzt auch nicht mehr, Adrian.«
Es hatte wieder zu schneien begonnen, diesmal in kleineren, dichteren Flocken. Adrian schien es, als sei in der kurzen Zeit, die er bei Baier verbracht hatte, die Temperatur gefallen.
Im wartenden Taxi brannte Licht, und aus dem Auspuff stieg Rauch in das Rot der Rücklichter. Der Fahrer las Zeitung und hörte Weynfeldt erst, als dieser die Beifahrertür öffnete. Das Wageninnere war überheizt.
»Schon so weit?«, fragte der junge Mann.
Weynfeldt nickte und gab ihm seine Wohnung als Fahrziel an. Das Schneetreiben umgab die Straßenlampen mit wirbelnden Höfen.
»Sie dürfen nicht denken, mir sei der CO 2-Ausstoß egal«, bemerkte der Fahrer.
»Weshalb sollte ich das denken?«, wunderte sich Adrian.
»Weil ich bei laufendem Motor auf Sie gewartet habe.«
»Ich dachte, Sie wollten nicht frieren.«
»Es nützt nämlich nichts mehr«, erklärte der Fahrer, »selbst wenn wir den CO 2-Ausstoß radikal reduzieren, steigen die Temperaturen weiter an. Das steht im zweiten Bericht des Weltklimarats.« Er zeigte auf die Zeitung, die er neben den Sitz geklemmt hatte. »Ich frier mir doch nicht umsonst den Arsch ab.«
Weynfeldt gab ihm recht. Den Rest der Fahrt über schwiegen sie. Der Fahrer auf die glitschige Straße konzentriert, Weynfeldt auf sein Nylontäschchen mit den zwei Millionen. Mit der einen Million neunhundertfünfzigtausend, genaugenommen.
Zu Hause ging er als Erstes in sein Arbeitszimmer. Dort, nicht allzu originell versteckt hinter einem Stillleben von Cuno Amiet, das er sehr mochte, befand sich ein Tresor. Er benutzte ihn zur Aufbewahrung von ein paar Wertsachen, die an jeder anderen Stelle seiner Hochsicherheitswohnung genauso gut aufgehoben wären, und achtete darauf, dass er auch immer etwas Bargeld in den geläufigen Währungen enthielt. Er öffnete ihn mit der nicht sehr originellen Zahlenkombination des Geburtsdatums seiner Mutter und verstaute die Notenbündel darin.
Danach hörte er die Nachrichten auf seinem Telefonbeantworter ab. Ja – er hatte im Rahmen seiner kommunikationstechnischen Emanzipation nicht nur mit dem Handy umgehen gelernt, er hatte sich von Frau Hauser auch die Bedienung des Anrufbeantworters erklären lassen und fand sich damit inzwischen einigermaßen zurecht.
Lorena kaprizierte sich nämlich immer noch darauf, telefonisch
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