Der letzte Weynfeldt (German Edition)
würde noch mehr fressen und saufen über Mittag«, giftete sie. »Geh nach Hause und ruh dich aus. War alles ein wenig stressig die letzten Tage«, fügte sie milder hinzu.
Weynfeldt stand tatsächlich vom Schreibtisch auf und ging nach Hause.
Vielleicht war das keine gute Idee gewesen. Das Haus war voller Handwerker, die zu spät, und Lieferanten von Fitnessgeräten, die zu früh dran waren. Frau Hauser war dabei, ein »Dîner Tête-à-Tête« vorzubereiten, wie sie es am Telefon etwas anzüglich genannt hatte, als er »eine Kleinigkeit für Frau Steiner und mich« bestellt hatte.
Als er mit ihr im immer noch mit Plastikbahnen geschützten Korridor den Arbeitern im Weg stand und sagte: »Ich möchte bitte eine Weile nicht gestört werden«, antwortete sie bissig: »Wer möchte das hier drin nicht?«
Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Aber es kam immer nur das gleiche Paket unbeantwortbarer Fragen:
Woher wusste er das mit dem Bild? War sie ihn noch nicht los? Schuldete sie ihm immer noch etwas? War es verzeihlich? War es verständlich? War alles Verständliche verzeihlich?
Plötzlich hatte er den Hörer in der Hand und hörte mit klopfendem Herzen, wie es am andern Ende läutete.
»Ja«, sagte die bekannte Stimme.
»Weynfeldt«, sagte er.
»Endlich.«
»Was wollen Sie?«
»Das Gleiche wie letztes Mal.«
»Okay.«
»Aber Faktor zehn.«
Adrian schwieg. Dann sagte er: »Das sind eins Komma zwo Millionen.«
»Bravo.«
»Das ist absurd.«
»Angemessen.«
»In Bezug auf was?«
»Aufs Risiko.«
»Wessen Risiko?«
»Ihres. Falls Sie nicht zahlen.«
»Vielleicht überschätzen Sie das. Eine Panne. Etwas, was allen großen Auktionshäusern schon mal passiert ist.«
»Ein Skandal. Erst Rekordpreis, dann Fälschung.«
Dann stellte Weynfeldt die einzige Frage, die ihn interessierte: »Wie haben Sie es erfahren?«
»Dreimal raten.«
»Was haben Sie gegen Frau Steiner in der Hand?«
Der andere stutzte. Dann lachte er. »Genug. Danke der Nachfrage.«
Weynfeldt bat sich etwas Zeit aus. Der Mann gab ihm vierundzwanzig Stunden.
Als er aufgelegt hatte, befiel Adrian eine bleierne Müdigkeit. Er kannte sie von früheren Katastrophen in seinem Leben. Der Tod seines Vaters, der Tod seines Foxterriers, die Trennung von Daphne, der Tod von Daphne, der Tod seiner Mutter. Er hatte den größten Teil dieser Krisen im Bett verbracht. Jetzt war es wieder so weit.
Er schleppte sich in den Korridor, auf dem in etwas Distanz immer noch reger Verkehr herrschte, ging in sein Schlafzimmer, zog Schuhe und Jackett aus, ließ sich aufs Bett fallen und sank, nein, stürzte augenblicklich in einen bodenlosen Schlaf.
Frau Hauser weckte ihn. Sie stand neben dem Bett und hielt ihm das schnurlose Telefon hin, dessen Mikrofon sie fest umschlossen hielt. »Herr Hartmann – Sie hätten einen Termin.«
Weynfeldt nahm den Apparat. »Verzeihen Sie, wenn ich aufsässig bin«, sagte Hartmann, und es klang mehr ungeduldig als zerknirscht, »unsere Security hat Sie vor zwei Stunden nach Hause kommen sehen, und da habe ich mir erlaubt, nachzufragen, ob Sie unseren Termin vielleicht…«
»Ich habe mich kurz hingelegt und muss eingeschlafen sein, ich bin gleich bei Ihnen.«
Hartmanns Büro war in jenem pseudomodernen Officedesign eingerichtet, der Weynfeldts ästhetisches Empfinden an anderen Tagen zutiefst verwundet hätte. Heute waren ihm die grünlichen Tischplatten und Korpustüren aus mattiertem Glas, der Überfluss an Chromstahl und der Hightech-Chefsessel einfach egal. Er setzte sich nach den üblichen Begrüßungs-und Entschuldigungsfloskeln an den Besprechungstisch und wartete ab.
Neben Hartmann war noch ein anderer Mann mit schlechtsitzendem Anzug und zu großem Krawattenknoten zugegen, der nervös wirkte und als Herr Schwartz, Leiter Security, vorgestellt wurde.
Auf dem Tisch stand ein kleiner Monitor, an welchem sich Herr Schwartz nun zu schaffen machte.
Hartmann wand sich ein wenig, was seine Sprache noch geschraubter machte. »Ich bitte Sie vorab, die Sache nicht missverstehen zu wollen, es liegt uns fern, uns in Ihre Privatangelegenheiten einmischen zu wollen, Sie wissen, wir versehen nur unseren Sicherheitsauftrag, und Sie konnten sich bisher, nicht wahr, voll auf unsere Diskretion verlassen und werden dies auch weiterhin tun können, Diskretion ist ja sozusagen«, er lächelte, »unser Kerngeschäft.«
Weynfeldt half ihm nicht.
»Herr Schwartz hat während der
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