Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
und die Kohle vorne und hinten nicht reichte. Er vertrat eine Reihe von Comedians, aber keiner von ihnen hatte auch nur halb so viel Talent wie George. Auf der Bühne war Burns der Mann, mit dem jede Frau zusammen sein und jeder Mann einen trinken gehen wollte, aber abseits davon schlug seine schwierige Persönlichkeit durch. Er war nicht nur unbeliebt, weil seine Fernsehshow scheiße war: Er schlief mit jedermanns Ehefrau, nur weil er es konnte, und verfiel regelmäßig mitten in einer Unterhaltung in seine Bühnenrolle, sodass seinem Gegenüber nichts übrigblieb, als die passive Publikumsrolle zu übernehmen und zu lachen.
»Sprich doch einfach mit Dub und hör dir an, was er dazu sagt«, schlug sie Burns vor.
»Ich sehe ihn doch nie.«
»Dann ruf ihn an.«
»Er ist nie zu Hause.«
Es war ein Machtspiel: Dub war ständig zu Hause, aber Burns wollte, dass Dub zu ihm kam.
»Findest du’s eigentlich gar nicht seltsam, dass dein Sohn und ich vor tödlichen Gefahren fliehen und zu dir eilen, und wir jetzt hier sitzen und die Zukunft deiner Karriere besprechen?«
Er lachte über sich selbst, das war seine liebenswerteste Seite, und Paddy beugte sich vor. »Ich verabschiede mich von Pete.«
Aber Burns sah, dass sie immer noch sehr mitgenommen wirkte. »Bleib noch eine Minute sitzen, Pad.«
Er legte ihr die Hand aufs Knie, ließ sie dort liegen, und sie freute sich über die Wärme.
Paddy konnte sich sehr gut vorstellen, wie viel Pete in den nächsten Tagen von seinem Vater zu sehen bekommen würde, wenn sich dieser auf die Aufzeichnung seiner Sendung am Donnerstagabend vorbereitete. An die wütende Produktionsassistentin, die sich beim Sender hochgearbeitet hatte und von der nun verlangt wurde, dass sie ihren eigentlichen Job vernachlässigte und spontan als Kindermädchen für George H. Burns’ verwöhntes Balg einsprang, mochte sie gar nicht denken. Aber im Moment war ihr das scheißegal.
Er drückte ihr die Hand. »Ich bin stolz auf den Kleinen. Du machst das ganz toll.«
In einem Anflug von Schwäche drückte sie ihm ein Küsschen auf die Finger, und das weiße Ledersofa knirschte unangenehm unter ihrem Hintern.
25
Lieber eine Knarre besorgen
I
Das Taxi warf sie an der Straße raus, vom Redaktionsgebäude aus gesehen auf der gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes, sodass sie ihren Wagen erreichte, ohne gesehen zu werden.
Der Parkplatz war ein schmutziges Gelände, nicht einmal flachgewalzt. Näher zum Gebäude hin war er asphaltiert, aber hier an den äußersten Rändern war der Boden voller Schlaglöcher und sandig. Vor langer Zeit war hier ein Wohnblock abgerissen worden, entweder weil ihn eine deutsche Bombe getroffen hatte, oder weil er baufällig war, sie wusste es nicht. Nur der Gehweg war geblieben. Vor dem Redaktionsgebäude standen die Wagen dicht gedrängt, heute mehr als früher. Ein Taxistand befand sich an einer Seite zur Straße Richtung Innenstadt, denn das Budget der Zeitung war dramatisch gekürzt worden und zuallererst hatte man an den vielen Wagen und den fest angestellten Fahrern gespart, die früher vor dem Haupteingang gewartet hatten.
Sie ging vorsichtig in normalem Schritttempo und hoffte, dass niemand sie sah. Oben war immer noch die Frühschicht dran. Sicher wurden gerade die letzten Seiten gesetzt und fertiggestellt. Bunty oder sein Schoßäffchen müssten nur zufällig aus dem Fenster sehen, dann würden sie sie entdecken, nach oben zerren und zwingen, einen Artikel über einen frei erfundenen Besuch bei Callum zu schreiben. Sie wollten unbedingt einen Bericht über ihn haben. Allein seine Schuhgröße wäre ihnen schon einen Aufmacher wert.
Auf der Höhe ihres Wagens verließ sie den Gehweg und überquerte den schmutzigen Platz. Sie hatte an derselben Stelle geparkt wie am Abend zuvor, als sie Mary Ann rauchend im Auto hatte sitzen lassen. Mary Ann, die wegen eines Liebhabers geheult hatte. Das war unglaublich, nicht nur, weil Mary Ann Nonne war, sondern weil sie in ihrer aller Augen noch ein Kind war. Nicht nur ein Kind der Kirche, sondern ein Kind aller Meehans und das nicht um ihrer selbst, sondern der anderen willen. Sie verkörperte die Kindheit von ihnen allen, erinnerte sie daran, wie sie selbst als Kinder waren.
Die Türen der Press Bar standen offen, um die sommerliche Abendluft hereinzulassen, und ein Gemisch aus Gesprächsfetzen und Gläsergeklirr drang warm und freundlich nach draußen. Paddy wäre furchtbar gerne sorglos hineingegangen, hätte
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