Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
und war grau. Das Zimmer war zu groß für seine spärlichen Habseligkeiten: Eine silberfarbene Truhe stand an der nächstgelegenen Wand, ein alter Ghettoblaster daneben. An der Matratze lag eine große blaue Reisetasche, vollgestopft mit Klamotten. Paddy erkannte sie: Es war dieselbe Tasche, die er dabeigehabt hatte, als sie ihn vor acht Jahren zum Zug nach London gebracht hatte. Auf dem Boden standen Romane in einer Reihe an der Wand, hauptsächlich Penguin Classics, das Papier nach intensiver Lektüre bereits vergilbt und zerfleddert.
»Es tut mir ehrlich leid wegen Terry«, sagte der Koch. »Er war erst seit ein oder zwei Monaten hier, ich habe ihn kaum gekannt. Netter Typ.«
Auf den staubigen schwarzen Dielen erkannte sie Fußspuren, die sich im Staub abzeichneten, ein Gewirr in der Mitte des Raums. Schritte, die dorthin und wieder davon wegführten.
»Hier waren Leute drin«, sagte Paddy und zeigte auf die Spuren im Schmutz.
»Die Polizei.« Der Koch war ihnen in das Zimmer gefolgt. »Die sind alles durchgegangen. Waren außerdem ziemlich unausstehlich, wir mussten eine Nacht lang ausziehen, damit sie Spuren sichern konnten. Soweit ich weiß, haben sie aber nur seinen Pass mitgenommen. Und ein Journalist war hier. Hat geschielt und war verdammt unhöflich.«
»Merki«, nickte Paddy. »Hat er irgendwas mitgenommen.«
»Nein. Er hatte eine Flasche Whiskey dabei, hat sie auf den Tisch gestellt und uns eine Stunde lang über Terry ausgefragt, dann hat er die Flasche wieder eingesteckt und sich verpisst.«
Dub lachte, aber Paddy nicht. »Wieso hat er so gelebt?«, fragte sie laut. »Er hatte ein Haus in Kilmarnock.«
»Ach, das stimmt also?« Der Koch war überrascht. »Ich hatte schon gedacht, das sei Blödsinn gewesen.«
»Hier ist überhaupt nicht viel, oder?«
»Vielleicht wäre mehr da gewesen, aber vergangene Woche wurde bei uns eingebrochen. Deshalb haben wir auch eine andere Tür. Die alte war aus Papier. Die neue ist wenigstens aus stabiler Pappe gemacht.« Er lachte über seinen eigenen Witz und störte sich nicht daran, dass sonst niemand lachte.
Paddy verfolgte die Spuren im Staub, suchte nach Unterbrechungen. Eine flache freie Stelle an der Truhe wirkte sauberer als der Rest des Bodens. »Haben Sie etwas weggenommen?«
Der Koch sah auf die Stelle. »Nein, Terry hat die Truhe umgestellt. Da war eine Mappe drin und er hat sie nach dem Einbruch woanders hingetan.«
»Wohin?«
Er machte ihr Zeichen, ihm in den Flur hinauszufolgen, und ging anschließend in die Küche.
Der Raum war feucht und es roch herrlich. Auf dem Tisch, wo er Teig geknetet hatte, lag Mehl verstreut. Auf einem der beiden Gaskocher stand eine Bratpfanne, in der Speckstreifen abkühlten. Zu den Kochstellen führte eine Gasleitung, die lose von der Decke hing. Unter dem Fenster war in einem gefährlich windschiefen Einbauschrank die Spüle untergebracht. Verschiedene Regale und ein rotweißer Vorratsschrank aus den Fünfzigerjahren standen nebeneinander an der Wand.
In viktorianischen Zeiten war die Küche das Reich der Dienstboten gewesen. Damals war es üblich, eine kleine Nische in die Wand einzulassen, in der das Küchenmädchen schlief und sich an der niemals versiegenden Wärme des schmiedeeisernen Herds wärmen konnte. Nach schlechten Sanierungsarbeiten war die Nische zugemauert und in einen Schrank oder, wenn die Nische sehr groß war, manchmal auch in eine fensterlose Küche umgebaut worden, doch hier gehörte sie zum gemeinschaftlich genutzten Platz. Ein schmutziges Sofa stand mit dem Rücken zur Küche auf einen alten kastenförmigen Fernseher gerichtet, der in einer Ecke vor sich hin blubberte. Über dem Gerät waren in zwei Metern Höhe Schiebetüren aus Sperrholz angebracht.
»Das ist so eine Art kleiner Dachboden, aber man braucht eine Leiter, um hochzukommen«, sagte er. »Terry hat da hinten drin Sachen verstaut, für den Fall, dass noch mal eingebrochen wird.«
Paddy sah sich um. »Habt ihr eine Leiter?«
»Klar, ja, haben wir.« Er verschwand in einem der Zimmer und kam mit einer klapprigen, farbverspritzten Holzleiter wieder. »Chris streicht sein Zimmer.« Er klappte sie auf und stellte sie unter die Schiebetüren.
Er erwartete, dass Paddy hinaufkletterte, aber sie erklärte, sie wisse nicht, wonach sie suchen solle. Zögerlich kletterte der Koch selbst die Leiter hinauf. Nicht ohne Schwierigkeiten schob er die Tür zur Seite. Der Hohlraum war tief und pechschwarz, genau im falschen Winkel, sodass
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