Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
gehen.
»Komm schon«, sagte Dub, »Mary Ann wird bald da sein.«
Paddy gab Pete die Mappe zum Tragen, während sie und Dub gemeinsam in zwei Gängen alles die Treppe herunterschafften.
Beim letzten Gang blieben sie im Türrahmen des großen staubigen Zimmers stehen. Die Sonne hing tief und auf der Lawrence Street brannten noch keine Laternen. Als sie die blanke Glühbirne ausknipsten, wurde das große Zimmer vom Licht in den Fenstern der gegenüberliegenden Wohnungen erleuchtet.
Auf der anderen Straßenseite hatte sich eine Familie vor dem Fernseher versammelt, der Apparat stand vor dem Fenster und die Familie saß in einer Reihe nebeneinander auf einem Sofa, als wollten sie direkt in Terrys Zimmer gucken. Durch ein anderes Fenster sah man eine Frau in einem makellosen Wohnzimmer Staub wischen, Zierdeckchen anheben und Schonbezüge zurechtzupfen. In einem wieder anderen sah eine ältere Frau aus dem Fenster auf die Straße, offenbar hielt sie nach jemandem Ausschau.
Paddy roch Terry in dem Staub, konnte ihn sehen, wie er auf seinem Bett saß, eine Tasse Kaffee trank und über den Tag nachdachte. Er wirkte klein und einsam, wie sie ihn sich dort vorstellte, hilflos wie ein Staubkorn, das, sanft von unsichtbaren Luftströmen getragen, durch den Raum schwebt.
Dub fasste sie am Ellbogen. »Du bist nicht bloß schockiert, Schatz. Du bist wirklich traurig, oder?«
Paddy fühlte sich ertappt und holte tief und zittrig Luft. »Dabei weiß ich gar nicht, warum.«
»Vielleicht weil es in Wirklichkeit um deinen Dad geht.«
»Ja, vielleicht«, sagte sie. »Vielleicht.« Aber sie wusste, dass es nicht so war.
12
Die geheime Suppensprache
I
Besonders schön sah es nicht aus. Die Pasta war verkocht, weich und matschig. Paddy goss den Inhalt eines Glases mit Fertigsauce darüber und rührte um. Es sah immer noch nicht schön aus, aber sie wusste, sie würden es essen. Sie setzte den Deckel darauf und nahm fertig geriebenen Parmesan aus dem Schrank und stellte den Pappbehälter auf den Tisch.
Dub sah von seiner Gratiszeitung auf, kaute mit ernster Miene auf seinem Stift. »Der beste Freund des Menschen, vier Buchstaben?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Jesus?«
Sie nahm die Teller und Gläser aus dem Schrank und deckte den Tisch für vier Personen. Hier vor den angelaufenen Fensterscheiben, in der friedlichen Ecke des Hauses umgeben von all den Dingen, die sie an ihren Alltag und noch zu erledigende Aufgaben erinnerten, wirkte die Bedrohung, die von Callum Ogilvy ausging, und das Entsetzen über Terrys Tod fast ein bisschen absurd.
Sie sah auf den Korb mit der frischen Bügelwäsche oben auf der Waschmaschine und betrachtete die Falten, die Dub sorgsam in ihre Büroklamotten und Petes Ersatzuniform eingearbeitet hatte, und verbot sich, darüber nachzudenken, jedenfalls an diesem Abend, solange Mary Ann da war. Sie sahen einander so selten und es wäre ein Jammer, den Abend mit anderen Dingen zu verschwenden.
Die Türglocke klingelte sachte und Dub versuchte aufzustehen, stieß sich aber das Knie an der Tischkante. Paddy und Pete trafen sich im Flur, eilten beide zur Tür und sogar Paddy hatte vor Aufregung einen kleinen Kloß im Hals. Sie ließ ihn öffnen.
Mary Ann stand in einem einfachen blauen Kleid mit langer Knopfleiste draußen vor der Tür und hatte eine Plastiktüte mit einem schweren fassartigen Gegenstand dabei. Ihre blonden Ringellocken waren brutal kurz geschnitten.
Sie lächelte breit, trat in den Flur ein und griff sich schüchtern an den Kopf. Pete wollte ihn anfassen, weshalb sie sich zu ihm herunterbeugte.
»Oje«. Paddy hakte sich bei ihrer Schwester ein und schüttelte den Kopf. »Das ist ein entsetzlicher Haarschnitt, aber sogar damit bist du noch hübscher als ich. Das ist so gemein.«
Sie gingen in die Küche und fanden Dub stolz vor dem Topf mit der heißen Pasta stehen, als hätte er sie gekocht. Er nahm Mary Ann die Plastiktüte ab, die sie ihm hinhielt, zog eine durchsichtige Tupperdose heraus und stellte sie an den Rand des Tisches. Es war Suppe, gelb durch die Linsen darin, mit grünen Erbsentupfern und weißen Kartoffelstücken. Der Deckel saß nicht richtig fest und am Rand war etwas von der Suppe mehlig heruntergetropft und angetrocknet. Pete drückte die Nase an die Dose und versuchte hindurchzusehen.
»Suppe«, sagte Mary Ann.
Paddy erkannte den Schnitt der Kartoffeln und den eigentümlichen gelben Farbton, den Trisha erzielte, indem sie die getrockneten Erbsen statt nur eine
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