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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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erzählt?«
    Sie formte ein tonloses »Nein« mit den Lippen und schluchzte.
    Paddy wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wischte ihrer Schwester erneut die Tränen ab, drückte sie ganz fest und trocknete ihr noch mal das Gesicht.
    »Willst du Suppe?«
    Mary Ann musste durch den feuchten Schleier auf ihrem Gesicht hindurch lachen, kam schließlich mit kurzen schmerzhaften Japsern wieder zu Atem. Jetzt trocknete sie sich mit ihrer eigenen Serviette das Gesicht.
    »Habt ihr beiden irgendeinen Plan gefasst?«
    Mary Ann faltete das Küchenpapier zu einem ordentlichen Rechteck zusammen und schnäuzte sich, putzte resolut ihre Nase, wischte so heftig daran herum, als wollte sie sich selbst bestrafen. Sie brachte es nicht fertig, Paddy anzusehen. »Wir reden nicht …«
    Paddy war schockiert. Dieser beschissene Pater Andrew, kaum war er zwei Jahre aus dem Priesterseminar entlassen, zwang er der Gemeinde seinen Willen auf und berührte Mary Ann auf eine Weise, gegen die sie wehrlos war. Paddy wäre am liebsten ins Auto gesprungen, zum Pfarrhaus gefahren und hätte ihn verprügelt, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Mary Ann zuliebe würde sie nichts dergleichen tun, aber wenn ihre Brüder etwas davon mitbekämen, würde sie sie kaum zurückhalten können.
    »Sag’s bloß nicht Mum.« Das war kein großer Trost, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
    Und wieder fing Mary Ann an zu weinen, aber diesmal nicht wegen der Liebe, sondern in der Voraussicht auf all die Schmach und Schande, die sie über ihre Familie bringen würde.
    Paddy nahm das feuchte Gesicht ihrer Schwester in beide Hände. »Hör mal zu, Mary Ann, hör zu, du kannst Mum nicht mehr wehtun, als wir das schon getan haben. Trisha ist stark, sie ist sehr stark. Caroline ist geschieden, Pete ist unehelich, die Jungs gehen nicht mal mehr zur Messe.« Mary Anns Liebesaffäre in die Liste der Leiden ihrer Mutter aufzunehmen, trug jedoch nicht zu ihrer Beruhigung bei. »Ich habe Zigaretten hier. Wollen wir eine rauchen?«
    Paddy stand auf, zog das Päckchen aus der Handtasche, nahm einen Aschenbecher, zündete eine an und gab sie ihrer Schwester. Manchmal als sie noch jünger waren und Sean in ihrer Gegenwart sehr viel geraucht hatte, hatten sich die Mädchen manchmal eine Zigarette geteilt. Mary Ann inhalierte nicht, aber sie hielt sie gerne, führte sie wie ein Filmstar an die Lippen und zuckte zusammen, wenn sich eine Rauchschwade in ihre Nase verirrte.
    Jetzt steckte sie die Zigarette in den Mund, schielte dabei und nahm den längsten Zug, den Paddy je gesehen hatte. Die halbe Kippe war weg. Sie behielt den Rauch in der Lunge, ihre Brust wölbte sich und sie blies ihn gekonnt über Paddys Kopf.
    Die beiden Schwestern sahen einander an. Paddy staunte. Zum ersten Mal in ihrem Leben mimte Mary Ann nicht mehr das kichernde kleine Mädchen. Jetzt war sie eine Frau.
    Ohne ihrem Blick auszuweichen, führte Mary Ann den Filter an die Lippen und zog noch einmal, sog das verbliebene Leben aus der Zigarette, ließ nur eine graue, krümelige Hülle übrig. Sie hielt den Rauch unfassbar lange in der Lunge und blies ihn dann seitlich aus dem Mundwinkel heraus, hielt zum Schluss inne, wandte sich ihrer Schwester zu und blies ihr zwei perfekte Rauchringe entgegen, zog eine Augenbraue hoch, um die Geste zu unterstreichen.
    Paddy musste lachen und konnte nicht mehr aufhören. Mit geschlossenen Augen schlug sie auf den Tisch, warf ihren Teller zu Boden, ihre Gabel prallte vom Stuhl ab und flog klappernd auf die Fliesen.
    Das Telefon klingelte und sie sah auf, erwartete, dass Mary Ann ebenfalls losprusten würde, doch Mary Ann lachte nicht. Sie biss sich auf die Oberlippe und drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, hob und senkte die Augenbrauen in einem stillschweigenden Dialog.
    McVie hielt sich nicht mit Begrüßungen auf. »Gedenkfeier, Donnerstag. Große Sache. Zehn Uhr vormittags in der Kathedrale. Du hältst eine Rede.«
    »Nein, tu ich nicht.«
    »Alle werden da sein.«
    »Wer alle?«
    »Alle eben.« Sie hörte ein Blatt Papier knistern. »Hast du Merkis Artikel gelesen?«
    Sie drehte sich zur Wand. »Wurde Merki namentlich erwähnt?«
    »Geh, hol dir morgen die News. Die haben die Tatwaffe gefunden.«
    Sie legte auf.
    Mary Ann hatte sich eine weitere Zigarette genommen und den Kopf in den Händen versenkt, der Rauch kräuselte sich bis hinauf zu dem Wäschegestell, an dem hoch über ihren Köpfen Petes Kleidung trocknete.
    »Mach die Kippe aus«, sagte

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