Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Paddy bestimmt. »Wir machen einen Ausflug.«
II
Es war ein seltsames Gefühl, Mary Ann mit in die Redaktion zu nehmen. Allein schon mit ihr im Wagen zu sitzen, war wie ein bizarrer Zusammenprall zweier völlig unterschiedlicher Bereiche ihres Lebens. Paddy wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte: Sollte sie Mary Anns kichernde kleine Schwester geben oder den feuerspuckenden Drachen, den sie auf der Arbeit markierte. Es wäre ihr noch seltsamer vorgekommen, hätte sich Mary Ann wie Mary Ann benommen, aber sie war still, besorgt, verzweifelt. Immer wieder berührte sie ihre Haare, suchte nach einer Strähne, die lang genug war, sodass sich ihre Finger darin hätten verlieren können. Der Schnitt war so schlecht, dass es aussah, als hätte sie sich die Haare versengt.
»Warte hier«, sagte Paddy und öffnete die Tür. Der absurde Gedanke, Mary Ann könne aus dem Wagen steigen und auf dem dunklen Parkplatz für immer verschwinden, schoss ihr durch den Kopf. Sie schleuderte ihrer Schwester ihre Handtasche auf den Schoß. »Da sind Zigaretten drin. Rauch eine. Bin in zwei Sekunden wieder da.«
Die Lieferwagenfahrer arbeiteten hart, schwangen Packen von Papier in einer Reihe stehend in die Transporter, ihr Rhythmus wurde nur durch den Anblick von Paddy Meehan unterbrochen, die aus der dunklen Nacht heraustrat und eine Ausgabe aus einem aufgeplatzten Packen zog, der an die Seite gestellt worden war.
Der Artikel stand gleich auf der Titelseite, Merkis Name oben drüber und es war ein Foto des Grabens abgebildet, in dem man Terry gefunden hatte, mit polizeilichem Absperrband als Tatort markiert. Ein in den Text eingesetztes Foto zeigte Terry als jungen Mann, der den Fotografen angestrengt angrinste. Am Kragen erkannte sie, dass er seine Lederjacke trug, die mit den roten Schulterpolstern. Sie wandte sich ab und ging wieder zum Wagen zurück, strich zärtlich mit dem Zeigefinger über das Bild, verschmierte aus Versehen die noch feuchte Druckerfarbe und machte sich die Hand schmutzig.
Die rote Spitze der Zigarette glühte hinter der Windschutzscheibe auf, als Paddy auf den Wagen zuging. Diese Mary Ann kannte sie kaum. Sie hatte ihr letztes Gelübde noch nicht abgelegt, es wäre also gar nicht so schwierig, das Kloster zu verlassen, falls sie das wollte. Aber Pater Andrew hatte seine Gelübde abgelegt. Paddy konnte sich die junge Liebe sehr gut vorstellen, die Blicke und Mary Anns errötende Wangen, verstohlene Momente in zugigen Klostergängen, flüchtige Berührungen der Hände, ein sehnsüchtiger Blick und den käsigen Hintern von Pater Andrews, wenn er seinen Schwanz in ihre Schwester steckte.
Sie öffnete die Tür und ließ sich auf den Fahrersitz plumpsen, nahm Mary Ann die Zigarette aus der Hand und warf sie auf den verdreckten Parkplatz. »Also, dann. Ich muss ein paar Dinge wissen: Wie lange geht das schon?«
Schon weil sie es gewohnt war, zu gehorchen, erzählte ihr Mary Ann die ganze Geschichte. Beinahe ein Jahr ging das nun schon so. Sie hatten sich kennengelernt, als er bei der Mission die Messe las. Sie trafen sich heimlich. Sein Priesteramt wolle er aber nicht aufgeben.
»Willst du das Kloster verlassen?«
Mary Ann sagte, sie wisse es nicht.
»Du kannst bei mir wohnen.«
Mary Ann antwortete nicht, und obwohl Paddy es niemals zugegeben hätte, war sie ein bisschen beleidigt. Sie breitete die Zeitung auf dem Lenkrad aus und schaltete das Innenraumlicht an.
Mary Ann nuschelte neben ihr: »Hast du noch Kippen?«
Paddy nickte in Richtung ihrer Handtasche.
»Die sind alle«, sagte Mary Ann.
»Wir halten gleich an und besorgen welche.«
Merki war gut in Form, daran bestand kein Zweifel. Im perfekten blatttypischen Stil berichtete er, die Polizei habe die Waffe gefunden, mit der Terence Hewitt, wie bei einer Hinrichtung, mit einem Kopfschuss getötet wurde. Entgegen anderslautender Berichte handele es sich nicht um eine IRA-Waffe und man sei nun sicher, dass der Mord nichts mit den Unruhen in Nordirland zu tun habe. Die Schusswaffe war in der Nähe des Tatorts gefunden worden, und die Ballistiker der Polizei bestätigten, dass die Kugel, die Terence getötet hatte, aus dieser Waffe stammte. Sie suchten jetzt nach einem Einzeltäter und vermuteten Raub als Motiv. Der Bericht war als Exklusivartikel ausgewiesen.
»Was ist das?« Mary Ann versuchte über Paddys Schulter hinweg mitzulesen.
»Mit einem Schlag zurück an der Spitze«, sagte Paddy. »Der Typ, der das geschrieben hat, hatte seit zehn
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