Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
Collins’ Hemd plötzlich grell pink und ging übergangslos in seinen Hals über.
Sie betrachtete die Kopie und machte sich Sorgen wegen der Qualität, als ihr Blick plötzlich auf einen Schatten im Wageninneren fiel. Ein Halbkreis von einem Schatten auf dem Beifahrersitz: das Lenkrad. Plötzlich fiel ihr ein, dass man in Amerika auf der anderen Straßenseite fuhr. Der Wagen hatte Linkssteuerung. Collins war nicht der Fahrer. Er war nur der Beifahrer: Der dicke Mann brachte ihn irgendwohin.
Sie bezahlte bei der Frau hinter der Theke, kaufte einen riesigen Schokoriegel und eine Packung Embassy Regal und rechtfertigte den Kauf der Zigaretten mit dem Gedanken daran, dass sie wenigstens ein Laster brauchte, dem sie zügellos nachgehen konnte, wenn sie mit Brian Donaldson würde trinken müssen.
Typen wie er trauten Abstinenzlern nicht über den Weg.
17
Love war ein Unfall
I
Das Shammy lebte von seiner Stammkundschaft, so viel stand fest. Viel hätte nicht gefehlt und der Barmann wäre in traditioneller Tracht aufgetreten und hätte Folksongs zum Besten gegeben.
Es wurde Guinness vom Fass ausgeschenkt, zwei verschiedene Sorten Lager, Irischer Whiskey und Chips der Marke Tayto. Alles, was nicht vom Nikotin gelblich verfärbt war, war grün – sogar die Sitze. Verschrumpelte Kleeblätter aus Papier hingen hinter der Bar, ein Überbleibsel vom letzten St. Patrick’s Day, obwohl äußerst fraglich war, was der adelige Stoiker von der schmutzigen Bar gehalten hätte.
An drei Wänden waren hoch oben Regalbretter befestigt, auf denen weit weniger harmlose Erinnerungsstücke zur Ansicht standen. Eine Panzergranate aus Messing mit schwarzem Trauerflor. Staubige Flaggen verschiedener irischer Grafschaften, Mayo, Galway und Cork standen an Bierkrüge gelehnt. Ein nachgebautes Plastikgewehr und ein kleines, sehr schlecht zusammengebasteltes Modell des Maze Prison aus handbemalter Pappe mit winzigen Männern auf einem der Dächer.
Das Herzstück der Bar aber war eine Messingplakette auf einem dicken Holzbrett, in die das Porträt von Bobby Sands eingraviert war. Die Augen passten nicht ganz zusammen, seine lange Siebzigerjahremähne reichte ihm bis über die Ohren und stand dem Mann mit dem Gesicht eines Bauernjungen auf der Gravur genauso wenig wie im wirklichen Leben.
Die dichten Rauchwolken weckten in Paddy das Bedürfnis, sich selbst eine anzuzünden, sei es auch nur, um den Gestank zu überdecken. Sie nahm ihre Schachtel und zog eine Zigarette heraus, zündete sie mit einem Streichholz an, inhalierte halbherzig und dachte, dass sie wahrscheinlich ziemlich verwegen aussah.
Einige Männer an der Bar drehten sich um und starrten sie an, als sie näher kam. Sie hatte sich ihre Klamotten am Morgen einfach nur übergeworfen, und trotzdem kam sie sich total overdressed vor. Die Männer trugen T-Shirts oder Sweatshirts unter schwarzen Lederjacken, dazu Jeans, die unter ihren Bierbäuchen hingen. Sie nickte ihnen zu.
»Wie geht’s?«, fragte sie und versuchte dabei so irisch wie möglich zu klingen.
Ein paar schnaubten abfällig. Zur Ablenkung zog sie an ihrer Zigarette, kam sich dabei albern vor und trat an den Tresen. Der Barmann ließ ein halb voll eingeschenktes Glas Guinness unter dem Zapfhahn stehen und wartete geduldig, bis sich der Schaum gesetzt hatte.
»Äh, hallo, ich suche Brian.«
»Hier gibt’s keinen Brian«, sagte er. Schottisch mit irischem Einschlag, eine Masche, die einige in ihrer Familie ebenfalls draufhatten.
»Ich hab neulich mit ihm gesprochen. Ich hab ein paar Fotos von dem Herrn, von dem er mir erzählt hat.«
Er musterte sie von oben bis unten. »Und Sie sind …? Detective Constable …? Detective Inspector …?«
Paddy hob empört die Hände. »Seit wann werden bei den Bullen fette Frauen eingestellt? Ich bin gerade mal eins sechzig groß, verdammte Scheiße.«
Er schüttelte den Kopf und zapfte weiter sein Guinness. »Hier gibt’s keinen Brian, Schätzchen.«
»Na gut, wenn Brian-der-ganz-anders-heißt herkommt, sagen Sie ihm, Paddy Meehan hat ihn gesucht, und ich kann ihm die Fotos zeigen. Er weiß, wo ich arbeite.«
Holz kratzte auf Stein, als einer der Kerle am Tresen seinen Hocker zurückschob, herunterstieg und sich vor ihr aufbaute.
Paddy nahm an, er müsse einst der ganze Stolz des Rudels gewesen sein. Mittlerweile aber hatte er im Mittelteil Fett angesetzt und seine Wampe, die direkt unter den zwei wohlgeformten Brüsten ansetzte, zeichnete sich deutlich unter seinem
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