Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
näherte.
»Die Entscheidung dürfen Sie ruhig uns überlassen und rufen Sie nicht im Präsidium an. Außerdem wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie auf Ihre Ausdrucksweise achten würden.«
Sie entschuldigte sich, behauptete, der Schock sei schuld daran, und versuchte zu erklären, dass sie die Mappe mit Kevins Fotografien für das Buch durchsehen musste.
Der jüngere Beamte blickte zu seinem Mentor und nickte so häufig, dass sie überzeugt war, dass er nicht zuhörte. Der ältere Beamte schien es diesmal verstanden zu haben, machte sich aber keinerlei Notizen und reagierte überhaupt nicht. Als sie fertig war, sagte er ihr, sie solle warten, und ging die Treppe herunter, vermutlich um Meldung zu machen und einen Vorgesetzten zu fragen, wer zum Teufel Terry Hewitt sei und was zum Teufel er jetzt tun solle.
Der jüngere Mann blieb bei ihr im Gang. Paddy wusste, dass sie unter Aufsicht stand und die Polizisten vorhatten, sie zur Befragung mitzunehmen, was bedeuten konnte, dass sie zwei Stunden würde warten müssen, um ein kurzes Gespräch zu führen, und noch einmal zwei Stunden zu warten, bis endlich jemand entschied, dass sie gehen durfte. Sie hätte versuchen können, sich aus dem Staub zu machen, aber der Streifenwagen stand wahrscheinlich direkt vor dem Hauseingang. Selbst rennen hätte keinen Sinn gehabt, da beide Beamte offenbar fit genug waren, um sie spielend einzuholen. Wahrscheinlich hätte sogar ihre eigene Mutter sie eingeholt. Sie war nicht besonders fit.
»Sie kennen den Mann also?«
»Wir waren früher mal Arbeitskollegen.«
»Bei der Zeitung?«
»Ja.«
»Dann sind Sie Sekretärin?«
»Nein, ich bin Journalistin.«
Er grinste, aber nicht gemein. »Sie verdienen Ihr Geld also damit, sich Sachen auszudenken?«
»So in der Art.«
Er lachte ein bisschen spöttisch und sah weg, beugte sich über das Geländer, hielt nach seinem Kollegen Ausschau. Als er keine Spur von ihm entdeckte, machte er einen Schritt in Kevins Wohnung, zuckte mit den Schultern und lächelte wie ein unartiger Schuljunge. Er machte Paddy Zeichen hereinzukommen.
»Kommen Sie, wir suchen die Fotos«, sagte er und bewies damit, dass er doch zugehört hatte.
Sie stand im Flur und beobachtete ihn, wie er im Schlafzimmer über einen wüsten Berg Schmutzwäsche stieg, der vor einer Kommode aus dem Boden wuchs. Sie wandte sich ab, sah wieder ins Wohnzimmer hinein. Mit der Line Koks auf dem Wohnzimmertisch stimmte etwas nicht. Paddy neigte den Kopf: Wenn Kevin Platz gemacht hätte, um eine Line zu legen, dann hätte er die Kisten mit den Negativen auf den Boden unter den Tisch gestellt, denn das war die einzige Stelle, an der noch Platz war. Sie sah sich zum Sofa um, sah unter den Fernseher, neben den Sessel. Die Kisten waren verschwunden.
»Eigentlich sollten hier irgendwo Kisten mit Negativen sein, sie standen auf dem Tisch …«
Der neugierige Beamte lächelte sie an, stand auf der anderen Seite des zerwühlten Betts und hielt triumphierend eine große schwarze Mappe hoch, die Paddy von ihrem letzten Besuch her wiedererkannte. Er legte sie aufs Bett.
»Warten Sie, warten Sie«, sagte sie. »Wenn Kevins Angreifer die Mappe in der Hand hatte, dann sind seine Fingerabdrücke drauf.«
Er zuckte die Schultern, löste das Gummiband, schlug die Mappe auf und fuhr mit seinen fettigen Fingern derart skrupellos über das Deckblatt, dass Paddy es kaum glauben mochte. Sie begriff, dass er nicht gerade ein Freidenker und auch kein undercover operierendes Genie war. Er war ein Idiot, der ihre hanebüchene Geschichte über die Ermordung von Kevin und Terry durch jemanden, den Kevin fotografiert hatte, keine Sekunde lang glaubte. Sie täuschte sich immer in stillen Menschen.
Er hob die Fotos eines nach dem anderen, sah die Bilder an, dann sie und wartete, dass sie Stopp sagte, da ist er, aber das Foto von der schwarzen Frau befand sich nicht in der Mappe.
»Es war aber da drin«, sagte sie, »und die Negative sind auch weg.«
Er antwortete mit seinem wie gewohnt spöttischen Grinsen.
Hallende Schritte kündigten die Rückkehr des älteren Beamten an. Leicht keuchend verdrehte er die Augen und kam gerade genug wieder zu Atem, um den anderen Beamten die Anweisung zu erteilen, die Wohnung zu sichern. Sie schlossen die Tür und reparierten das Schloss gerade genug, damit es bei Zugluft nicht wieder aufsprang.
»Hören Sie«, sagte Paddy in die Rücken der Beamten hinein, »ich muss wirklich weg. Ich gebe Ihnen meine Nummer, falls Sie
Weitere Kostenlose Bücher