Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
geht aber um keine Story.« Sie tappte mit der Bilderrolle auf die Tischplatte. »Dieses Arschloch hat heute Morgen jemanden zur Schule meines Sohnes geschickt. Er war bei mir zu Hause, verdammt. Ich muss wissen, was für eine Art von Bedrohung er darstellt.«
Donaldson blieb eisern. »Wir alle haben schon Familienangehörige verloren.«
»Sie blödes Arschloch.«
Er blinzelte, hob sein Glas und schluckte drei Viertel des fast vollen Pint Guinness und beobachtete sie über den Rand hinweg. Er stellte das Glas auf den Tisch, fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe. Kein einziges Mal gab sein Blick nach. Er wartete darauf, dass sie etwas sagte.
»Wenn Gewalt hier zum Glückspiel wird …«, sagte sie vorsichtig, »wenn es darum geht, wer den höheren Einsatz bringt, dann denken Sie dran, dass hier von meinem Sohn die Rede ist.«
Donaldson starrte durch sie hindurch, drehte sein leeres Glas mit den Fingerspitzen am oberen Rand herum, während weiße Schaumreste langsam an den Innenseiten herunterliefen.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Donaldson?«
»Ich kann Sie ausgezeichnet verstehen, Mädchen.«
Mit den zusammengerollten Blättern zeigte sie über den Tisch, beugte sich zu ihm vor und bohrte ihm die Rolle fest in die weiche Brust. »Sagen Sie Ihrem Freund Folgendes und merken Sie es sich gut: Ich werde nicht zulassen, dass Sie oder er, oder die komplette Armee von Hooligans, die die Führung des Fenian Brotherhood of Ireland an sich gerissen haben, meinem Kind etwas tun.«
Donaldson sah hinunter an die Stelle, wo sie ihn gepiesackt hatte, zog langsam und amüsiert eine Augenbraue hoch, als wäre ihre Drohung lediglich ein Scherz.
Paddy merkte, wie ihr heiß wurde und sie in Rage geriet; keine gute Mischung.
»Donaldson, es ist mir scheißegal, ob Sie der verdammte König des Maze Prison sind, oder ob Sie sich wegen einer Wette selbst das Ohr abgesäbelt haben – von mir aus –, aber wenn von Ihnen auch nur der Hauch einer Bedrohung für meinen Kleinen ausgeht, dann werde ich Sie finden und fertigmachen.«
Sie lehnte sich zurück, holte Luft und hoffte, dass sie ihm wenigstens ein kleines bisschen Angst eingejagt hatte.
Donaldson lächelte. »Miss Meehan, meinen Sie nicht, dass jede Frau, die einmal ein Kind verloren hat, ähnlich denkt? Wir kämpfen alle für unsere Kinder, nur deshalb kämpfen wir.«
Sie stand auf und beugte sich über den Tisch, die Nase keine zwei Zentimeter von seiner entfernt. »Ich rede hier nicht von politischen Kämpfen. Ich spreche von Ihnen. Ich werde Sie persönlich fertigmachen.«
Er lachte ihr eine herbe Guinnessfahne ins Gesicht. »Wollen Sie mir drohen?«
Sie setzte sich wieder und sah ihn an. Eine vollkommene Fehleinschätzung. Er war kein bisschen zusammengezuckt, hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, sein Pokerface beizubehalten. Genaugenommen wirkte er fast gelangweilt, als habe man ihm schon hundertmal gedroht, ihn fertigzumachen.
Sie seufzte und sah aus der Nische heraus. »Ich hab’s versucht, aber es scheint nichts zu bringen.«
Donaldson lachte in sich hinein, seine Männerbrüstchen wabbelten, sein Hals bildete zwei dicke Wülste.
Sie hielt die Blätter hoch. »Ich werde herausfinden, wer der Kerl ist.«
Er fegte ihre Hartnäckigkeit mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch. »Ja ja, vielleicht gelingt Ihnen das sogar. Vielleicht, ja.«
»Haben Sie sich mal überlegt, welche Folgen diese Morde für Ihre Organisation haben könnten? In Ulster Teenager umlegen ist eine Sache …«
»Wir legen keine Teenager in Ulster um.« Einen kurzen Augenblick lang rümpfte er die Nase, seine Mundwinkel bogen sich und er hob die Schultern, als könne er den Vorwurf nicht ertragen.
»Charles Love«, sagte sie, ein sechzehnjähriger Katholik, der aus Versehen zu Beginn des Jahres von einer Bombe der IRA getötet wurde, die eigentlich gegen Soldaten gerichtet war.
»Love war ein Unfall.« Donaldson verengte die Augen zu Schlitzen. »Seamus Dufy war keiner: Die RUC hat ihn letztes Jahr erschossen. Er war fünfzehn.« Er zuckte mit den Schultern. »Die Liste ließe sich ewig fortsetzen.«
»Journalisten auf neutralem Boden zu töten, könnte alles zunichtemachen, wofür Sie gearbeitet haben. Nicht mal die Amerikaner werden so was noch unterstützen.«
»Wir töten keine Journalisten auf neutralem Boden.«
»Heißt das, Schottland gehört jetzt zum Kriegsgebiet?«
»Nein.«
»Kevin und Terry gelten also nicht als Journalisten? Wieso? Genau das
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