Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
waren sie, nichts anderes. Ich habe Terry gekannt, seit er ein Teenager war, und er hätte niemals für den britischen Geheimdienst gearbeitet.«
»Sie würden sich wundern, wer alles für den britischen Geheimdienst arbeitet.« Es war eine Randbemerkung, eine traurige Feststellung, weniger ein Gesprächsbeitrag. Auf der Suche nach einem Trostgetränk kippte Donaldson sein Bierglas ein klein wenig zur Seite, bevor ihm wieder einfiel, dass es leer war und er es wieder abstellte.
»Sie irren sich«, sagte Paddy. »Vorgestern Abend hat Kevin noch geglaubt, niemand sei hinter ihm her. Er dachte, jemand aus Liberia habe Terry umgebracht, zum Teufel. Wenn Sie glauben, das rechtfertigen zu können, indem Sie behaupten, die beiden wären in ein großes Spionagekomplott verwickelt gewesen, dann täuschen Sie sich.«
Donaldson beugte sich über den Tisch und sprach betont langsam. »Wir haben nichts damit zu tun, weder offiziell, inoffiziell noch in irgendeiner Grauzone dazwischen. Wir sind es nicht gewesen. Wir würden so etwas nicht tun. Wir waren es nicht.«
»Soweit Ihnen das bekannt ist«, sagte sie trocken und versuchte damit anzudeuten, dass er lediglich zum Fußvolk gehörte.
»Nein.« Er sprach langsam. »Von ganz oben. Wir waren es nicht. Auf keinen Fall und unter keinen Umständen.«
Sie lehnte sich zurück und sah ihn an. Donaldson wirkte verlottert, war dick und stank nach Guinness, aber er hatte die selbstsichere Aura eines Mannes mit Macht. Sie würde vielleicht später noch einmal mit ihm sprechen müssen.
»Tut mir leid, dass ich Ihnen gedroht habe, Mr. Donaldson.« Sie steckte die Bilder in ihre Tasche und merkte, dass er ihnen mit den Augen folgte. »Aber ich bin verzweifelt.«
»Das ist schon okay.« Er nickte sanft den Tisch vor sich an. »Ich verstehe das. A mother’s love’s a blessing.«
»No matter where you roam«, sagte sie und ergänzte damit die nächste Zeile des rührseligen alten irischen Lieds, das sie schon ihr ganzes Leben lang kannte.
Er fuhr mit dem Ende des Refrains fort. »You’ll never miss a mother’s love til she’s buried beneath the clay.«
Sie lächelten, sahen in den Augen des jeweils anderen das ängstliche katholische Kind, das sie beide einmal gewesen waren.
»Emotionale Erpressung als Hymne. Haben Sie Kinder, Mr. Donaldson?«
»Einen Sohn«, sagte er und es war, als verschließe sich etwas in seinen Augen. »Er starb. In Untersuchungshaft in Long Kesh.«
»Oh, Gott. Das tut mir sehr leid.«
Donaldson seufzte die schmutzige Tischplatte an.
»Ja«, sagte er. »Mir auch.«
II
Im Vergleich zu der düsteren Bar war es auf der sommerlichen Straße blendend hell. Paddy ging über den belebten Bürgersteig und trat auf die Fahrbahn, um einem Laster auszuweichen, der vor einem Laden parkte und entladen wurde. Sie kaute auf ihrer Zunge herum, um den ekligen Zigarettengeschmack wieder loszuwerden, dachte an Kevin, wie er auf der Trage gelegen hatte, und fragte sich, ob seine Eltern noch lebten und sie sie anrufen und ihnen sagen sollte, dass er im Krankenhaus war.
Sie drehte sich nicht um. Sie sah den jungen Mann im schwarzen Trainingsanzug nicht, der ihr von der Bar aus gefolgt war, sie an ihrem Wagen beobachtete und sich ihr Nummernschild einprägte.
Sie fuhr ziellos durch die geschäftige Innenstadt, dachte an Collins und Donaldson, achtete kaum auf die Fußgänger, die ihrem Wagen Platz machten. Nachdem sie nur knapp an einer kleinen Frau mit schweren Einkaufstüten vorbeigeschrammt war, sah sich Paddy schon einem Polizisten gegenüber, dem sie zu erklären versuchte, dass sie am Tatort eines schweren Überfalls zwei Beamten entwischt war, anschließend beinahe eine unschuldige Passantin niedergemäht, es aber eigentlich nicht böse gemeint hatte.
Am Ende der riesigen Einkaufszone bog sie in einen Parkplatz ein, entdeckte eine Lücke und hielt.
Frauen in leichter Sommerkleidung huschten mit widerwilligen Kindern im Schlepptau vorbei. Zwischen ihr und dem Flohmarkt am Fluss befand sich ein noch größerer Parkplatz, die grelle Sonne funkelte unerbittlich auf den Motorhauben und Autodächern. Sie holte tief Luft und überlegte, ob sie eine Zigarette anzünden sollte, fand es dann aber doch zu widerlich.
Vielleicht täuschte sie sich wegen Collins. Sie hatte keinerlei Beweise dafür, dass der Mann, der den Schulhof beobachtet hatte, überhaupt in irgendeiner Verbindung zu ihm stand. Oder dafür, dass er Terry ermordet hatte. Er war zu ihr gekommen und hatte
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