Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
billigen weißen T-Shirt ab. Seine schwarze Lederjacke hatte einen Gummizug an der Taille, der sich dort zusammenzog, wo der Mann auseinanderging, und betonte, was einmal recht ansehnliche Beine gewesen sein mussten. Er trat ins Licht und sie sah, dass ihm ein kleines Stückchen oben vom Ohr fehlte.
Paddy hätte sich nicht gewundert, wenn er sie zur Tür hinausgejagt hätte, aber stattdessen nahm er sein Bierglas und machte ihr mit dem Zeigefinger ein Zeichen, ihm zu folgen. Sie drückte ihre Zigarette im nächsten Aschenbecher aus und ging ihm nach in den hinteren Teil der Kneipe.
Die Nische war so ausgerichtet, dass man vom eigentlichen Raum aus keinen Einblick hatte. Dort war es dunkel und das trübe Licht stammte von einer vergilbten Wandleuchte, die Hitze der Glühbirne hatte ein braunes Oval in den Lampenschirm aus Plastik gebrannt. Die Bänke waren aus abgewetztem Holz, der Tisch war voller Wasserflecken und Brandlöcher. Er rutschte über die Sitzfläche, sein dicker Bauch drückte gegen den angeschraubten Tisch. Er lehnte sich in die Ecke, legte ein Bein auf die Bank und signalisierte ihr, sie solle sich ihm gegenübersetzen.
»Schön, dass Sie selbst gekommen sind.« Er fuhr sich wie ein schläfriger Löwe mit der Zunge über die Mundwinkel. Sie erkannte seine Stimme sofort. Brian Donaldson.
Sie nahm ihre Zigaretten heraus und zündete eine an, bot auch Donaldson das Päckchen an, doch er lehnte ab, hielt sein Glas in ihre Richtung geneigt, als wollte er sagen, dass ein Laster genug sei. Er war Mitte vierzig und sah an sich nicht schlecht aus. Ein breites Kinn, blaue Augen und das Gebaren eines Mannes, der etwas zu sagen hat. Die Falten in seinem Gesicht erinnerten an vergangenes Lachen, auch Augen und Mund waren von Fältchen umgeben.
»Kevin Hatcher ist tot.« Sie wollte nicht sagen, dass Kevin nur verletzt war. Vielleicht wäre dann jemand ins Krankenhaus gefahren und hätte den Job zu Ende gebracht.
Er schüttelte den Kopf. »Wer ist das?«
»Kevin Hatcher«, wiederholte sie. »Hatcher und Terry Hewitt haben zusammen an einem Buch gearbeitet, über Auswanderer in New York.«
»Irische Auswanderer?«
»Schottische. Sie fotografierten Menschen, Porträts auf der Straße und Terry schrieb kurze Begleittexte dazu. Sollte ein aufwändiger Bildband werden. Eigentlich ein unterhaltsames Buch und ein Vorwand für einen gemeinsamen Ausflug nach New York.« Sie stellte sich vor, wie Kevin und Terry zusammen im Flugzeug Erdnüsse aßen und kicherten. Ihr stiegen Tränen in die Augen. »Zwei gute Jungs. Jetzt sind beide tot. Ich habe Ihnen von dem Mann erzählt, der bei mir zu Hause war. Michael Collins. Sehr bedrohlicher Typ, er hat behauptet, im Namen Ihrer Organisation zu sprechen.«
»Das tut er aber nicht.«
»Sie haben doch behauptet, Sie würden ihn gar nicht kennen.«
»Ich kenne ihn auch nicht, aber ich weiß, wer in unserem Namen spricht.«
»Ich glaube, Sie wissen aufgrund meiner Beschreibung sowieso längst, von wem ich rede, aber ich möchte Ihnen trotzdem etwas zeigen.« Sie entrollte die Fotokopien. »Ich habe ihn auf einem der Porträts im Hintergrund entdeckt.«
Donaldson blickte auf die körnige Vergrößerung, strich sie glatt und betrachtete sie noch einmal.
Collins war lachend im Profil zu sehen, seine Brille saß ihm auf der Nasenspitze.
»Das ist das ganze Foto?«
»Nein, das ist eine Vergrößerung. Deshalb ist sie so körnig.«
»Ich wollte gerade sagen, ein besonders gutes Foto ist das nicht.«
Langsam ging er die anderen Kopien durch.
Collins war nicht sehr scharf darauf zu sehen – sie hätte ihn selbst nicht erkannt, wenn sich ihr sein Gesicht nicht eingebrannt hätte –, doch Donaldson schien ihn ohnehin nicht anzusehen. Sie beobachtete ihn, sah, dass er die Straße genau betrachtete, die Gebäude auf beiden Seiten, den dicken Mann an der Fahrertür, das Nummernschild des Wagens, das angeschnittene Gesicht der schwarzen Frau am Rand der Fotokopie.
Er nahm sich noch einmal die Vergrößerung vor, sah alle Bilder mit versteinerter Miene durch, eins nach dem anderen. Er schob sie ihr über den Tisch zu.
»Kennen Sie ihn?«
»Nie gesehen.« Sein Tonfall war bemüht unaufgeregt, sein Blick fest und ausdruckslos.
»Doch, das haben Sie.« Sie rollte die Bilder wieder zu einem stabilen Rohr zusammen.
»Ich recherchiere hier nicht für einen Artikel, Donaldson, falls Ihnen das Sorge macht.«
»Journalisten recherchieren immer. Sie recherchieren Tag und Nacht.«
»Es
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