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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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können. So sehen Bent und ich es inzwischen.«
    »Falls es sich nicht doch um natürliche Todesursachen handelt«, sagte Winter.
    »Drittens also.« Edlund lächelte. »Aber in dem Punkt haben wir kaum noch Zweifel. Die Frauen wurden erstickt. Vermutlich mit dem Kissen. Das wissen wir nicht hundertprozentig sicher, aber darüber hast du vielleicht schon mit Öberg gesprochen. Und Pia. Sie hat nichts bei ihnen gefunden, das auf einen plötzlichen Atemstillstand aus einem anderen Grund hindeutet. Und dann sind da noch die punktförmigen Blutungen. Aber auch sie kann natürlich nichts mit hundertprozentiger Sicherheit sagen.«
    »Die Spurensicherung hat vermutlich auch keinen größeren Aufwand betrieben«, sagte Winter.
    »Vermutlich nicht.«
    »Eigentlich wartest du jetzt nur noch auf die Geständnisse.«
    »So ist es. Mich wundert, dass ich sie noch nicht habe. Vor allem von dem einen, Barkner.«
    »Warum ausgerechnet von ihm?«
    »Er scheint am stärksten zu bereuen.«
    Winter nickte. Sverker war schon lange als Verhörleiter dabei. Er hatte das meiste gesehen, das meiste gehört. Er wusste, was Menschen dachten, wenn sie redeten. Diese Fähigkeit konnte sich manchmal zu einer telepathischen Gabe entwickeln.
    »Warum also gesteht er nicht?«, sagte Winter.
    »Die natürliche Antwort darauf wäre, dass er nichts zu gestehen hat, oder? Aber so einfach ist es diesmal nicht. Ich glaube es jedenfalls nicht.«
    »Und der andere?«
    »Lentner? Er ist übrigens ein Namensvetter von dir, ein Erik. Tja, die Nuss ist härter zu knacken. Arroganter Typ, falls du verstehst, was ich meine.«
    »Er wird nie gestehen, meinst du?«
    »Genau.«
    »Manchmal sind es die, die am schnellsten zusammenbrechen.«
    »Der nicht. Das hab ich im Gefühl. Er ist eher wütend als verwirrt. Er wird die Tat nicht gestehen.«
    »Möglicherweise, weil er sie nicht begangen hat.«
    Edlund schwieg. Sie waren zum Präsidium zurückgekehrt, das sich hinter der Skånegatan auftürmte. Das Gebäude war das einzig Hässliche unter all dem Hübschen, das sie umgab. Was hatte sich im Kopf des Architekten abgespielt, als er es entwarf? Hatte es überhaupt einen Architekten gegeben? Vielleicht hatte der Polizeichef auf der Rückseite eines Verhörformulars ein paar Linien gezogen. Das Gebäude ist der Grund, warum Halders aufhören will. Es hat ihn verschlissen. Es hat uns alle verschlissen. Wir sollten den ganzen Scheiß in die Luft sprengen. Aber das wagt niemand. Es wäre eine Tat von allzu großem symbolischen Wert, wenn wir es selber täten.
    »Willst du sie kennenlernen?«, fragte Edlund.
    Er wusste nicht, ob er sie kennenlernen wollte. Er war sich noch nicht im Klaren darüber, warum er sie kennenlernen sollte. Darüber dachte er nach, während er die Treppen zu der Wohnung in der Chalmersgatan hinaufstieg. Madeleine Holst und Martin Barkner. Madeleine und Martin, dachte er, so waren sie ihren Freunden bekannt. Sie war Pressesprecherin oder so was in der Art gewesen und er Banker. Winter hatte im Lauf seines Lebens und seiner Arbeit unterschiedliche Typen von Bankern getroffen, und er vermutete, dass auch Bankräuber unter die Definition fielen.
    Durch das Treppenhaus strich ein kühler Wind, er spürte ihn im Nacken. Drinnen war es kälter als draußen. Die Beleuchtung war spärlich. Er dachte an die junge Polizistin Gerda Hoffner. Wie sie diese Treppe an jenem frühen Morgen hinaufgestiegen war, auf dem Weg zu ihrer ersten Begegnung mit dem Tod in ihrem Job. Premiere, eine Stufe nach der anderen. So wie er es selber erlebt hatte. Er hatte noch einmal mit ihr gesprochen. Sie hatte wahrhaft überrascht gewirkt, als er sie anrief. Er hatte erwogen, sie heute mitzunehmen, aber wenn er etwas sehen wollte, musste er allein sein. Das war immer so gewesen. Man muss allein sein, um etwas zu sehen, um nachdenken zu können, während man hinschaut. Jetzt schaute er. Er stand im Flur, plötzlich, als könnte er sich nicht erinnern, wie er hierhergelangt war. Er war vorbereitet gewesen, da bewegt man sich manchmal unbewusst. Er machte einige Schritte in die Wohnung, ins Licht, das aus den Zimmern am Ende des Flurs fiel, Zimmern zum Hinterhof. Er erkannte wieder, was er sah. Es war heimisches Terrain. Es war nicht nur die Entfernung eines kurzen Spaziergangs zu seiner Arbeitsstelle, von seiner Wohnung am Vasaplatsen, es war auch eine Wohnung, die seiner ähnelte und damit seit mindestens fünfzehn Jahren auch seinem eigenen Leben. Im Augenblick konnte er sich nicht

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