Der letzte Winter
es nicht! Warum fragen Sie mich das immer wieder?«
Winter schwieg.
»Wollen Sie so lange weiterfragen, bis ich gestehe? Geht es Ihnen darum?«
»Wollen Sie gestehen?«
»Nein.«
Winter wartete, um eine kleine Pause in der Vernehmung einzulegen, eine Lücke in der Stille, eine Fallgrubenpause, vielleicht. Draußen hörte er ein Auto starten. Barkner hörte es auch. Das Geräusch stand für Freiheit. Normalität.
»Erzählen Sie von Ihren Freunden, Herr Barkner«, sagte Winter.
Auf dem Weg nach Hause klopfte Winter an Ringmars Tür und öffnete sie, ohne eine Antwort abzuwarten.
Ringmar schaute auf.
»Willkommen, bienvenue, welcome.«
»Danke, Bertil.«
»Lass dich nieder und erzähl mir vom Leben.«
»Du bist ja richtig aufgekratzt.«
»Bald ist Weihnachten.«
»Das bedeutet dir doch sonst nichts.«
»Was zum Teufel meinst du damit?«
»Nur dass du immer gleich gutgelaunt wirkst, unabhängig von Feiertagen.«
»Das ganze Leben ist ein Feiertag, Erik.«
»Ich weiß.«
»Auf die kommenden Feiertage freue ich mich wirklich. Die ganze Familie ist ausnahmsweise versammelt. Aber das habe ich dir wahrscheinlich schon erzählt?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Martin kommt morgen hoffentlich aus Malaysia nach Hause. Und Moa hat ihre Juristenausbildung in Eksjö abgeschlossen.«
»Ihr seid wahrhaftig eine kosmopolitische Familie, Bertil.«
»Das sagst ausgerechnet du, mein Freund. Costa del Sol und all das.«
Winter nickte. Erst jetzt bemerkte er die brennende Kerze auf Bertils Schreibtisch. Ein Teelicht in einem ehemaligen Aschenbecher. Bertil hatte noch nie eine Kerze angezündet. Er schien sich wirklich über die Wiedervereinigung seiner Familie zu freuen. Es hatte eine Zeit gegeben, da schien sie für immer zu zerbrechen. Winter erinnerte sich an ein Weihnachten, als Bertil bei ihm übernachtet hatte. Wann war das gewesen … vor sechs, sieben Jahren? Damals war Bertil sehr einsam gewesen. Fast am Boden. Auch Winter war einsam gewesen, aber er hatte die Einsamkeit selbst gewählt. Während Angela und Elsa in Spanien waren, hatten Winter und seine Fahnder einen Mörder gesucht. Und einen kleinen Jungen. Es war ein entsetzliches Weihnachten gewesen. Er war nicht darüber hinweggekommen. Nie würde er darüber hinwegkommen. Er musste daran denken, sobald Weihnachten nahte. Aber für Bertil freute er sich. Bertil hatte es verdient.
»Ich habe mit einem anderen Martin gesprochen«, sagte Winter.
»Wie geht es voran? Wird Barkner gestehen?«
»Nein.«
»Was glaubst du?«
»Ob er schuldig ist? Ich kann es nicht sagen. Da ist etwas, an das ich nicht herankomme.«
»Und was?«
Das war keine Frage. Es war nur ein Versuch, Winters Gedanken zu folgen.
»Er verbirgt etwas«, sagte Winter.
»Manchmal übertreiben wir es damit«, sagte Ringmar. »Das weißt du, Erik.«
»Schon …«
»Der Verdächtige wirkt geheimnisvoller, als er ist«, sagte Ringmar. »Wir sehen Zusammenhänge, wo keine bestehen. Oder Zufälle, die etwas anderes zu sein scheinen und doch nichts weiter als Zufälle sind.«
»Ich bin noch nicht einmal dahintergekommen, ob dies ein Fall für uns ist«, sagte Winter. »Mit dem anderen Verdächtigen, Erik Lentner, habe ich noch gar nicht gesprochen.«
»Apropos Zusammenhänge.« Ringmar nickte in Richtung Schreibtischplatte. Winter sah die Papiere, er hatte sie beim Hereinkommen bemerkt, aber nicht das Kerzenlicht. Zuoberst lagen Fotografien. Die Flamme warf ein flackerndes Licht darauf. Er sah ein Gesicht und noch eins.
»Ich bin alles durchgegangen, was es bis jetzt gibt«, sagte Ringmar. »Es sieht wirklich sehr merkwürdig aus.«
Winter nickte.
»Wann sind Öbergs Leute mit den beiden Wohnungen fertig?«
»Wahrscheinlich sind sie schon fertig«, antwortete Winter.
Ringmar deutete auf die Fotos.
»Edlund und Mogens haben die beiden Männer gefragt, ob sie einander kennen, was offenbar nicht der Fall ist.«
»Jedenfalls behaupten sie das.«
»Was meinst du?«
»Keine Ahnung, bis jetzt nicht. Ich muss erst mit Lentner reden. Und dann wieder mit Barkner.«
»Costa del Sol«, sagte Ringmar. »Dort besteht ein Zusammenhang.«
»Ja.«
»Interessant.«
»Solange man nicht weiß, dass halb Göteborg Häuser an der spanischen Sonnenküste besitzt«, sagte Winter.
»Ich bin noch nie da gewesen«, sagte Ringmar.
»Es ist größer, als du glaubst, Junge.«
»Haben die nicht eine Gemeinde, die für den Zusammenhalt sorgt? Ich habe mal so etwas gehört.«
»Von mir, ich
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