Der letzte Winter
habe es dir erzählt. Angela und ich haben in der Kapelle der Gemeinde in Fuengirola geheiratet, falls du dich daran erinnerst.«
»Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein.«
»Es gibt also eine Gemeinde. Aber alle hält sie nicht zusammen.«
»Dann sind also nicht alle Schweden, die an der Costa del Sol wohnen, eine große glückliche Familie?«
»Nicht einmal eine Familie, unglücklich oder glücklich.«
Ringmar blätterte in den Unterlagen. Die Kerzenflamme zuckte im Lufthauch, ohne zu verlöschen.
»Diese … dieses Paar, Martin Barkner und Madeleine Holst … beider Eltern haben ein Haus in … Nueva Andalucia.« Er schaute auf. »Hatten deine Eltern dort nicht auch ein Haus?«
»Siv hat es immer noch. Sie ist nur vorübergehend hier.«
»Ach?«
»Ja.«
»Ist das nicht Wunschdenken?«
»Nein.«
»Okay, sie hatten jedenfalls beide ein Haus dort, Martin und Madeleine haben sich vermutlich schon in jungen Jahren gekannt. Bevor sie ein Paar wurden.« Er hob ein Blatt hoch. »Und die anderen … Gloria Carlix, die Tote, und Lentner, deren Eltern besitzen auch ein Haus da unten. Glorias Eltern haben ihrs vor etwa einem Jahr verkauft. Aber Lentners haben ihrs noch. Oder war es eine Wohnung? Nicht in Nueva Andalucia. Warte … es sind zwei andere Orte …«
Winter erhob sich. »Ich muss los.«
Ringmar sah auf. »Okay, okay.«
Winter ging. Er fühlte sich seltsam bedrückt von den spanischen Zusammenhängen. Als wäre es ungehörig. Als wollte er die Costa del Sol für sich allein behalten. Dorthin war er geflohen, wenn er fliehen musste. Marbella war seine Freistatt, eine geschützte Zone für seine Familie. Es bestand kein Zusammenhang zwischen den Morden. Es war nur ein Zufall.
17
W inter traf Erik Lentner zum ersten Mal und war überrascht, wie jung er aussah. Als hätte ihn die Untersuchungshaft verjüngt. Ein junger Mann, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte. Das unschuldige, das junge Leben. Winter sah, wie unschuldig er wirkte, sah seine Verwirrung. Aber auch seine Ruhe. Winter war seltsam unbehaglich zumute, als wäre er auf dem besten Weg, einen Fehler zu begehen.
»Sie haben Gloria also schon als Kind gekannt?«, fragte er.
Lentner zuckte förmlich zusammen. Seine Ruhe war dahin.
»Warum fragen Sie das?«
»Haben Sie einander gekannt?«
»Ja … aber …«
»Wann haben Sie sich kennengelernt?«
»Das … ich weiß es nicht mehr … das ist an die zehn Jahre her oder so. Vielleicht ein bisschen weniger.«
»Wo haben Sie sich kennengelernt?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Beantworten Sie nur meine Frage.«
»In Spanien, Marbella. Das liegt an der Costa del Sol.«
Winter nickte.
»Kennen Sie Marbella?«
»Ja.«
»Woher?«
»Meine Mutter besitzt dort ein Haus«, antwortete Winter. Jetzt beantwortete er Fragen. Aber das war okay. »Etwas außerhalb der Stadt, oberhalb von Puerto Banús, in Nueva Andalucia.«
»Ich weiß, wo das ist. Das reinste schwedische Ghetto.«
Wieder nickte Winter.
»Entlang der Küste ist es aber kaum anders«, fügte Lentner hinzu.
»Ihre Eltern haben ziemlich früh ein Haus in Spanien gekauft«, sagte Winter. »Und Glorias Eltern auch.«
»Wir hatten eine Wohnung in der Stadt«, berichtete Lentner mit leiser Stimme. Dabei sah er Winter nicht an. Er schien Bilder auf einer inneren Leinwand zu sehen, die nur er sehen konnte. Er hatte sich wieder beruhigt. Er sagte »hatten«, als wäre all das Vergangenheit. Aber die Eltern besaßen die Wohnung immer noch. »Mitten in Marbella.« Er blickte auf. »Mitten in der Stadt.«
»Wo?«
»Mitten in der Stadt, wie gesagt.«
Er verstand nicht, warum Winter nachhakte. Winter wusste selbst nicht genau, warum. Aber er hatte das Gefühl, dass es etwas von Bedeutung war. Es war mehr als Neugier. Er war nicht neugierig. Neugier war eine Eigenschaft, die nicht hierhergehörte, sie konnte in die Irre führen.
»In welcher Straße?«
»Eine kleine Sackgasse, Calle Aduar. Etwas oberhalb der Altstadt.«
»Ach ja, die kenne ich«, sagte Winter. »Am Eingang der Straße liegt ein kleiner Plaza. Puente de Ronda.«
»Sie kennen die Stadt«, sagte Lentner.
»Wir haben das letzte Winterhalbjahr dort verbracht und nicht weit entfernt von der Aduar gewohnt. Oben in San Francisco.«
Lentner nickte, als würde das alles erklären. Er schien nicht neugierig zu sein. Er fragte nicht, was sie dort gemacht hatten. Wer dort gelebt hatte, seine Familie oder das ganze Fahndungsdezernat. Er fragte nicht, warum
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