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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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sie dort gewesen waren. Winter erzählte nicht, dass seine Frau Ärztin war. Er wusste, dass Lentner eine Fachausbildung in Orthopädie am Östra Krankenhaus absolvierte. Winter beobachtete seine Finger, die sich fest ineinanderschlangen, wieder lösten, wieder verknoteten. Die Finger schienen alle zu funktionieren.
    »Aber Glorias Eltern sind aus der Stadt weggezogen«, sagte Lentner.
    »Besaßen sie auch eine Wohnung?«
    »Ja, anfangs.« Lentner sah Winter wieder an. Er wirkte noch immer ruhig. Es tat ihm gut, von der Costa del Sol zu sprechen, von seiner früheren Welt. Sie war hell, auf andere Weise hell als das blaue Licht der Welt außerhalb des Vernehmungsraumes. »Aber später sind sie weggezogen. Sie haben sich ein Haus außerhalb der Stadt gekauft.«
    »Wo?«
    »Das ist inzwischen auch verkauft. Sie sind für immer nach Schweden zurückgezogen.«
    »Wo lag das Haus?«
    »Ja, wie heißt die Gegend … Los irgendwas. Los … Molineros. Genau, Los Molineros. In der Nähe vom Hospital Costa del Sol. Wissen Sie, wo das ist?«
    »Ja, in dem Krankenhaus ist mein Vater gestorben.«
    Lentner nickte, als wäre auch das eine Information, die er erwartet hatte.
    »Aber sie haben das Haus verkauft«, wiederholte Lentner. Er schaute auf von seinen inneren Bildern von südlichen Küsten, seinem früheren Leben. »Ich will zurück nach Marbella. Wenn alles vorbei ist, hau ich sofort ab. Am liebsten möchte ich Weihnachten schon weg sein.«
    Winter schwieg. Lentners Blick war klar, müde zwar, aber klar. Es war wie bei Kriegsgefangenen; wenn sie entsprechend wenig zu essen bekamen und keinen Alkohol, wurde ihr Blick müde, aber klar.
    »Wann ist es vorbei?«, fuhr Lentner fort. »Wie lange können Sie mich hier noch festhalten?«
    »Solange es nötig ist«, antwortete Winter.
    »Sie wollen, dass ich gestehe, aber das ist doch krank«, sagte Lentner. »Wie viele Male soll ich noch wiederholen, dass ich nichts getan habe? Ich habe nichts getan! Ich habe es Ihren Kollegen gesagt, und jetzt sage ich es Ihnen. Und wenn Sie mir nicht glauben, lassen Sie mich wenigstens in Frieden!«
    »Ich versuche, Ihnen zu helfen«, sagte Winter.
    »Wie zum Teufel wollen Sie mir helfen?«
    »Ich versuche herauszufinden, was in jener Nacht passiert ist.«
    »Glauben Sie etwa, ich hätte es nicht versucht? Was meinen Sie wohl, worüber ich Tag und Nacht nachdenke? Hier, in diesem verdammten Gefängnis? Die Scheiße ist bloß, dass ich … nichts herausfinden kann, solange ich hier bin! Ich kann zum Beispiel nicht in unsere Wohnung zurückkehren. Wenn ich hinein könnte, würde ich viell…« Er brach ab.
    »Könnten Sie vielleicht was?«, fragte Winter.
    »Nichts. Es ist sinnlos …«
    »Was ist sinnlos, Herr Lentner?«
    Winter bekam keine Antwort.
    »Was könnten Sie tun, wenn Sie zurück in die Wohnung dürften?«, fragte Winter.
    »Ich … ich möchte auch wissen, was passiert ist … oder wie es passieren konnte. Was … Herrgott.«
    »Was ist, Herr Lentner?«
    Lentner antwortete nicht. Sein Gesicht hatte sich plötzlich verändert. Winter sah das Entsetzen darin. Lentners innere Bilder hatten sich verändert. In ihnen gab es kein Licht mehr, keinen Strand, keine weißen Berge, keine Strandlokale, keine Palmen, keinen Horizont, kein Meer.
    »Möchten Sie hingehen?«, fragte Winter.
    »Wie bitte?«
    »Möchten Sie es? Wir können in Ihre Wohnung gehen.«
    »Jetzt verstehe ich Sie nicht.«
    »Wir können zusammen hingehen.«
    »Ist das denn möglich? Darf man einen Verdächtigen am Tatort herumführen?«
    »Ich denke da anders«, sagte Winter.
    »Und wie denken Sie?«
    »Dass wir hingehen sollten und versuchen, etwas zu sehen.«
    »Was sehen?«
    »Was glauben Sie? Was könnten wir sehen?«
    »Versuchen Sie, mich reinzulegen? Sie wollen mir was unterschieben!«
    Winter antwortete nicht.
    »Sie wollen wohl, dass ich mich verplappere, wie? Sie glauben, mir rutscht was raus! Darauf legen Sie es doch an, oder? All dies Gequatsche über Marbella. Und dass wir in die Wohn… dahin gehen sollen. Es ist ja krank. Was zum Teufel bezwecken Sie damit?«
    »Möchten Sie nicht zurück?«
    »Aber warum?«
    »Ich möchte, dass Sie mir zeigen, was passiert ist.«
    »Das weiß ich eben nicht! Ich bin aufgewacht und sie … Gloria war tot! Das habe ich doch die ganze Zeit gesagt.«
    »Dann muss eine andere Person in Ihrer Wohnung gewesen sein.«
    »Genau das sag ich doch!«
    »Warum haben Sie die Tür offen gelassen?«
    »Wie bitte?«
    »Als die

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