Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
noch gewisse ... sagen wir: offene Rechnungen. Einigen Leuten hier habe ich etwas versprochen, und ich halte meine Versprechen immer. Weil ich es aber selber nicht mehr schaffe, wirst du diese Versprechen für mich einlösen.«
    Er kämpfte, kämpfte mit ganzer Kraft. Vergebens.
    »Quäl dich nicht, kleiner Hexer.« Nun war das Lächeln voll beißendem Spott. »Das hilft nichts. Du hast einen starken Willen und große Widerstandskraft gegen Magie, aber mit mir und meinen Sprüchen kannst du dich nicht messen. Und spiel mir keine Komödie vor. Versuch nicht, mich mit deiner harten und trotzigen Männlichkeit zu umgarnen. Du bist nur in deiner eigenen Vorstellung hart und trotzig. Um den Freund zu retten, hättest du für mich alles getan, auch ohne Zauberei, hättest jeden Preis gezahlt, mir die Stiefel geleckt. Und vielleicht noch was anderes, wenn ich unverhofft etwas Kurzweil gebraucht hätte.«
    Er schwieg. Yennefer stand lächelnd vor ihm und spielte mit dem an die Samtbluse gehefteten Stern aus Obsidian, dessen Brillanten funkelten.
    »Schon in Beaus Schlafzimmer«, fuhr sie fort, »kaum dass wir ein paar Worte gewechselt hatten, wusste ich, was ich von dir zu halten hatte. Und ich wusste, in welcher Münze ich von dir den Preis fordern würde. Meine Rechnungen in Rinde hätte jeder begleichen können, zum Beispiel Chireadan. Doch tun wirst du es, denn du musst bezahlen. Für die vorgetäuschte Härte, für den kalten Blick, für die Augen, die jede Einzelheit erfassen, für das steinerne Gesicht, für den spöttischen Ton. Für die Meinung, du könntest Yennefer von Vengerberg die Stirn bieten und sie für ein hochnäsiges Weib halten, das sich selbst anbetet, für eine berechnende Hexe, und zugleich ihre eingeseiften Titten mit den Augen verschlingen. Bezahle, Geralt von Riva!«
    Sie packte ihn mit beiden Händen bei den Haaren und küsste ihn heftig auf den Mund, saugte sich wie ein Vampir daran fest. Das Medaillon am Halse ruckte, Geralt hatte den Eindruck, dass sich die Kette verdrehte und ihn wie eine Garotte würgte. In seinem Kopf flammte ein helles Licht auf, in den Ohren begann es schrecklich zu tosen. Er sah die veilchenblauen Augen der Zauberin nicht mehr, versank in Dunkelheit.
    Er kniete. Yennefer sprach zu ihm mit sanfter, weicher Stimme.
    »Hast du es dir gemerkt?«
    »Ja, Herrin.«
    Es war seine eigene Stimme.
    »Dann geh und erfülle meine Aufträge.«
    »Zu Befehl, Herrin.«
    »Du darfst mir die Hand küssen.«
    »Danke, Herrin.«
    Er fühlte, wie er sich ihr auf Knien näherte. In seinem Kopf surrten zehntausend Bienen. Ihre Hand roch nach Flieder und Stachelbeeren. Flieder und Stachelbeeren ... Flieder und Stachelbeeren ... Ein Blitz. Dunkelheit.
    Das Geländer, die Treppe. Das Gesicht Chireadans.
    »Geralt! Was ist mit dir? Geralt, wohin?«
    »Ich muss . . .« Seine eigene Stimme. »Muss gehen . . .«
    »Götter! Seht euch seine Augen an!«
    Das Gesicht Vratimirs, von Entsetzen verzerrt. Das Gesicht Errdils. Und die Stimme Chireadans.
    »Nein! Errdil, nein! Rührt ihn nicht an und versucht ihn nicht aufzuhalten! Aus dem Weg, Errdil! Geh ihm aus dem Weg!«
    Der Geruch von Flieder und Stachelbeeren ... Flieder und Stachelbeeren ...
    Die Tür. Die explodierende Sonne. Heiß. Schwül. Der Geruch von Flieder und Stachelbeeren. Es wird ein Gewitter geben, dachte er.
    Und das war sein letzter klarer Gedanke.

VI
    Dunkelheit. Der Geruch ...
    Geruch? Nein, Gestank. Nach Urin, verfaultem Stroh und nassen Lumpen. Der Gestank einer rußenden Fackel, die in einer eisernen, in eine Wand aus unregelmäßigen Steinblöcken eingelassenen Halterung steckte. Ein Schatten, den die Fackel warf, ein Schatten auf strohbedecktem Estrich ...
    Der Schatten eines Gitters.
    Der Hexer fluchte.
    »Endlich.« Er spürte, wie jemand ihn hochzog, ihn mit dem Rücken gegen die feuchte Mauer lehnte. »Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass du so lange bewusstlos warst . . .«
    »Chireadan? Wo ... Verdammt, mir zerspringt der Kopf ... Wo sind wir?«
    »Und was meinst du wohl?«
    Geralt rieb sich das Gesicht, sah sich um. An der Wand gegenüber saßen drei zerlumpte Gestalten. Er sah sie undeutlich, sie saßen an der Stelle, die vom Licht der Fackel am weitesten entfernt war, in fast völliger Dunkelheit. An dem Gitter, das sie von dem beleuchteten Korridor trennte, hockte etwas, was nur dem Anschein nach ein Bündel Lumpen war. In Wirklichkeit war es ein dürrer Greis mit einer Nase wie ein Storchenschnabel. Die Länge

Weitere Kostenlose Bücher