Der letzte Wunsch
sein, sie zu beweisen.«
»Kann ich zu ihm hineinschauen?«
Sie schwieg für einen Augenblick, betrachtete ihn mit seltsamem Lächeln und trommelte mit den Fingern gegen den Türrahmen. »Natürlich. Komm herein.«
Das Medaillon am Halse des Hexers begann heftig und rhythmisch zu zittern.
Auf der Mitte des Fußbodens lag eine milchiges Licht verströmende Glaskugel von der Größe einer kleinen Melone. Die Kugel bezeichnete den Mittelpunkt eines neunzackigen Sterns, der genau gezeichnet war und mit den Spitzen an die Ecken und Wände des kleinen Zimmers reichte. Dem Stern einbeschrieben war ein mit roter Farbe gemaltes Pentagramm. Die Enden des Pentagramms wurden von schwarzen Kerzen markiert, die in sonderbar geformten Leuchtern steckten. Schwarze Kerzen brannten auch am Kopfende des Bettes, auf dem der mit Schaffellen zugedeckte Rittersporn ruhte. Der Dichter atmete ruhig, keuchte und krächzte nicht mehr, von seinem Gesicht war die Grimasse des Schmerzes gewichen, und an ihre Stelle war ein dümmliches, glückliches Lächeln getreten.
»Er schläft«, sagte Yennefer. »Und träumt.«
Geralt sah sich die auf den Boden gezeichneten Muster an. Die darin verborgene Magie war zu spüren, doch er wusste, dass diese Magie schlief, noch nicht geweckt war. Sie ließ an die Laute eines schlafenden Löwen denken, doch sie vermittelte einen Begriff davon, wie das Gebrüll des Löwen sein mochte.
»Was ist das, Yennefer?«
»Eine Falle.«
»Für wen?«
»Für dich. Vorläufig.« Die Zauberin drehte den Schlüssel im Schloss herum, dann in der Hand. Der Schlüssel verschwand.
»Ich bin also gefangen«, sagte er kühl. »Was nun? Wirst du meine Tugend auf die Probe stellen?«
»Bilde dir nur nichts ein.« Yennefer setzte sich auf den Bettrand. Rittersporn, noch immer dümmlich lächelnd, seufzte leise. Es war ohne Zweifel ein Wonneseufzer.
»Worum geht es hier, Yennefer? Wenn das ein Spiel ist, dann kenne ich die Regeln nicht.«
»Ich habe erwähnt«, begann sie, »dass ich immer bekomme, was ich will. Es hat sich aber so ergeben, dass ich etwas haben will, was Rittersporn besitzt. Ich werde es ihm wegnehmen, und wir trennen uns. Keine Angst, er wird keinen Schaden nehmen . . .«
»Das sonderbare Zeug, das du am Boden aufgestellt hast«, unterbrach er sie, »dient zur Dämonenbeschwörung. Und wo Dämonen beschworen werden, nimmt immer jemand Schaden. Ich werde das nicht erlauben.«
». .. ihm wird kein Haar gekrümmt«, fuhr die Zauberin fort, ohne seinen Worten die geringste Beachtung zu schenken. »Sein Stimmchen wird noch schöner sein, und er wird sehr zufrieden, geradezu glücklich sein. Wir alle werden glücklich sein. Und wir werden uns trennen, ohne Bedauern, ohne Kränkung.«
»Ach, Virginia«, seufzte Rittersporn, ohne die Augen zu öffnen. »Wie schön sind deine Brüste, zarter als Schwanenflaum . . .«
»Hat er den Verstand verloren? Phantasiert er?«
»Er träumt.« Yennefer lächelte. »Sein Wunsch erfüllt sich. Ich habe sein Hirn bis zum Grunde sondiert. Viel war da nicht. Ein bisschen Schweinerei, ein paar Wünsche, eine Menge Poesie. Lassen wir das. Das Siegel, mit dem die Flasche des Dschinn verschlossen war, Geralt. Ich weiß, dass nicht der Troubadour es besitzt, sondern du. Ich bitte darum.«
»Wozu brauchst du dieses Siegel?«
»Wie soll ich jetzt auf deine Frage antworten?« Die Zauberin lächelte flüchtig. »Versuchen wir es so: Das geht dich einen Dreck an, Hexer. Bist du mit dieser Antwort zufrieden?«
»Nein.« Er lächelte ebenfalls, und ebenso boshaft. »Ich bin nicht zufrieden. Aber mach dir deswegen keine Vorwürfe, Yennefer. Ich bin schwer zufriedenzustellen. Bisher ist das nur Leuten gelungen, die über den Durchschnitt hinausragten.«
»Schade. Dann bleibst du eben unbefriedigt. Dein Pech. Das Siegel, bitte. Zieh kein Gesicht, das nicht zu deiner Art von Schönheit und deinem Teint passt. Falls du es noch nicht bemerkt hast, sollst du wissen, dass jetzt die Gegenleistungen nötig werden, die du mir schuldest. Das Siegel ist die erste Rate des Preises für die Stimme des Sängers.«
»Wie ich sehe, hast du den Preis auf viele Raten verteilt«, sagte er kalt. »Gut. Ich hatte das erwarten können und habe es erwartet. Aber es soll ein ehrlicher Handel sein, Yennefer. Ich habe deine Hilfe gekauft. Und ich werde bezahlen.«
Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln, doch ihre veilchenblauen Augen blieben unbewegt und kalt. »Was das betrifft, Hexer, so darfst du daran
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