Der letzte Wunsch
Hexer ausgibt, hätte nicht genug Macht, um den Schließer so zu behandeln. Hinter allem steckt diese Yennefer, diese gottverfluchte Hexe!«
Vorm Fenster, wie um die Worte des Priesters zu bestätigen, donnerte es.
»Sie ist das, niemand anders«, fuhr Krepp fort. »Das steht außer Frage. Wer, wenn nicht Yennefer, hätte sich am Ratsherrn Lorbeerträger rächen wollen?«
»Ha, ha, ha«, lachte der Bürgermeister plötzlich los. »Deswegen bin ich gerade am wenigsten böse. Lorbeerträger hat an meinem Stuhl gesägt, er war auf mein Amt scharf. Aber jetzt wird er bei den Leuten kein Gehör mehr finden. Wer daran denkt, wie er was auf den Hintern gekriegt hat . . .«
»Es fehlt nur noch, dass Sie diesem Verbrechen Beifall spenden, Herr Neville.« Krepp runzelte die Stirn. »Ich erinnere Euch daran, dass, wenn ich nicht einen Exorzismus gegen den Hexer geschleudert hätte, er gegen mich und die Majestät des Heiligtums die Hand erhoben hätte . . .«
»Ihr habt in Euren Predigten ja auch hässlich über sie geredet, Krepp. Sogar Berrant hat es Euch übel genommen. Aber wahr bleibt wahr. Hört ihr, ihr Lumpen?« Der Bürgermeister wandte sich wieder Geralt und Chireadan zu. »Für euch gibt es keine Rechtfertigung! Ich denke nicht daran, hier derartige Exzesse zu dulden! Na los denn, erzählt mir jetzt alles, alles, was ihr zu eurer Verteidigung vorzubringen habt, denn sonst, ich schwöre es bei allen Reliquien, könnt ihr von mir was erleben, was ihr euer Lebtag nicht vergesst! Heraus mit allem, sofort, wie bei der Beichte!«
Chireadan seufzte tief und sah den Hexer an, vielsagend und bittend. Geralt seufzte ebenfalls, räusperte sich.
Und er erzählte alles. Nun ja, fast alles.
»Daher also weht der Wind«, ließ sich der Priester nach kurzem Schweigen vernehmen. »Eine schöne Geschichte. Ein freigesetzter Genius. Und eine Zauberin, die sich den Spruch für diesen Genius ergaunert hat. Keine üble Kombination. Das kann böse ausgehen, sehr böse.«
»Was ist ein Genius?«, fragte Neville. »Und worum geht es dieser Yennefer?«
»Die Zauberer«, erklärte Krepp, »schöpfen ihre Kraft aus Naturkräften, genauer gesagt, aus den sogenannten vier Elementen oder Prinzipien. Luft, Wasser, Feuer und Erde. Jedes von diesen Elementen hat seine eigene Dimension, im Jargon der Zauberer ›Ebene‹ genannt. Es gibt eine Ebene des Wassers, eine Ebene des Feuers und so weiter. Diese uns unzugänglichen Dimensionen werden von Wesen bewohnt, die man Genien nennt . . .«
»In den Legenden«, unterbrach ihn der Hexer. »Denn soviel mir bekannt ist . . .«
»Unterbrich mich nicht«, schnitt ihm Krepp das Wort ab. »Dass dir nicht viel bekannt ist, ist schon während deiner Erzählung klar geworden, Hexer. Also schweig jetzt und höre zu, wenn Klügere reden. Was die Genien betrifft, so gibt es davon vier Arten, wie es vier Ebenen gibt. Es gibt die D’jinnis, Luftwesen, die Marids, die mit dem Element Wasser in Verbindung stehen, die Ifrits, die die Genien des Feuers sind, und die D’ao, die Genien der Erde . . .«
»Du hast dich vergaloppiert, Krepp«, warf Neville ein. »Hier ist nicht die Tempelschule, halt uns keine Vorträge. Sag kurz und knapp: Was will Yennefer von diesem Genius?«
»So ein Genius, Bürgermeister, ist eine lebendige Ansammlung magischer Energie. Ein Zauberer, dem ein Genius zur Verfügung steht, kann diese Energie in Form von Zaubersprüchen gezielt einsetzen. Er braucht die Kraft nicht mühselig aus der Natur zu gewinnen, das tut der Genius für ihn. Dann wird die Macht eines solchen Zauberers riesig, kommt der Allmacht nahe . . .«
»Also, ich habe noch nie von Zauberern gehört, die alles können.« Neville verzog das Gesicht. »Ganz im Gegenteil, die Macht der meisten von ihnen wird stark übertrieben. Dieses können sie nicht, jenes nicht . . .«
»Der Zauberer Stammelford«, unterbrach ihn der Priester, wobei er wieder Ton, Pose und Miene eines akademischen Dozenten annahm, »hat einmal einen Berg versetzt, weil er ihm den Blick vom Turm versperrte. Nie zuvor oder danach ist jemandem etwas dergleichen gelungen. Denn Stammelford, wie die Überlieferung berichtet, hatte einen D’ao zu Diensten, einen Erdgenius. Es gibt Aufzeichnungen über die Taten anderer Magier von ähnlichen Ausmaßen. Gewaltige Wellen und verheerende Regenfälle, zweifellos das Werk von Marids. Feuersäulen, Brände und Explosionen durch die Feuerifrits . . .«
»Windhosen, Orkane, Flüge über der Erde«, murmelte
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