Der letzte Wunsch
Fledermaus glitt lautlos auf ihn zu und riss im Fluge den gezähnten Rachen auf. Obwohl von der Schockwelle betäubt, reagierte Geralt instinktiv. Er sprang hoch, passte das Tempo seiner Bewegungen blitzschnell der Fluggeschwindigkeit des Monsters an, trat drei Schritt nach vorn, wich zur Seite und wandte sich halb um, und dann folgte gedankenschnell ein beidhändiger Hieb. Die Schneide fand keinen Widerstand. Fast keinen. Er hörte einen gellenden Schrei, doch diesmal war es ein Schmerzensschrei, hervorgerufen von der Berührung mit Silber.
Heulend verwandelte sich die Bruxa auf dem Rücken des Delphins. Auf dem weißen Kleid, ein Stück über der linken Brust, war unter einem Riss, nicht länger als ein kleiner Finger, ein roter Fleck zu sehen. Der Hexer knirschte mit den Zähnen – der Hieb, der die Bestie in zwei Teile hätte spalten müssen, schien nur ein Kratzer zu sein.
»Schrei, Vampirchen«, knurrte er, während er sich das Blut von der Wange wischte. »Heraus damit. Verschwende deine Kraft. Und dann hau ich dir das hübsche Köpfchen ab!«
Du. Wirst zuerst schwach. Zauberer. Ich töte dich.
»Wir werden sehen.«
»Vereena!«
Mit gesenktem Kopf, beide Hände gegen die Pfosten gestützt, schob sich Nivellen durch die Tür des Schlösschens. Er wankte auf den Brunnen zu und fuchtelte dabei unsicher mit den Pfoten. Auf dem Rockkragen waren Blutflecken.
»Vereena!«, brüllte er abermals.
Die Bruxa riss den Kopf zu ihm herum. Geralt hob das Schwert und sprang zu ihr hin, doch die Vampirin war viel schneller. Ein gellender Schrei, und die nächste Schallwoge warf den Hexer zu Boden. Er stürzte auf den Rücken, schurrte durch den Kies des Weges. Die Bruxa krümmte sich, spannte sich zum Sprung, die Hauer in ihrem Mund blitzten auf wie Dolche. Nivellen, die Arme wie ein Bär ausgebreitet, versuchte, sie zu packen, doch sie schrie ihm mitten ins Gesicht, dass er etliche Klafter weit zurückgeschleudert wurde, gegen ein Holzgerüst an der Mauer, das krachend zusammenbrach und ihn unter einem Haufen Holz begrub.
Geralt war schon wieder auf den Beinen, lief im Halbkreis über den Hof und versuchte, die Aufmerksamkeit der Bruxa von Nivellen abzulenken. Die Vampirin sprang mit wehendem Kleid geradewegs auf ihn zu, leicht wie ein Schmetterling, fast ohne die Erde zu berühren. Sie heulte nicht mehr, versuchte nicht mehr, die Gestalt zu wechseln. Der Hexer wusste, dass sie erschöpft war. Doch er wusste auch, dass sie sogar im Zustand der Erschöpfung weiterhin tödlich gefährlich war. Hinter Geralts Rücken rumorte Nivellen unter den Brettern und brüllte.
Geralt sprang nach links, deckte sich mit einem kurzen, verwirrenden Wirbel des Schwertes. Die Bruxa stürzte auf ihn los – weiß und schwarz, mit wehendem Haar, schrecklich. Er hatte sie unterschätzt: Unterwegs schrie sie. Es gelang ihm nicht mehr, ein
Zeichen
zu formen, er wurde zurückgeschleudert, stieß mit dem Rücken gegen die Mauer, der Schmerz in der Wirbelsäule fuhr ihm bis in die Fingerspitzen, lähmte ihm die Schultern, ließ die Beine einknicken. Er fiel auf die Knie. Melodiös heulend sprang ihn die Bruxa an.
»Vereena!«, brüllte Nivellen.
Sie wandte sich um. Und da stieß ihr Nivellen mit Schwung das abgebrochene, spitze Ende einer drei Meter langen Stange zwischen die Brüste. Sie schrie nicht. Sie seufzte nur. Als der Hexer dieses Seufzen hörte, erbebte er.
Sie standen einander gegenüber – Nivellen breitbeinig, die Stange in beiden Händen, das Ende in die Achselhöhle gestemmt. Die Bruxa hing am anderen Ende wie ein aufgespießter Schmetterling und umklammerte ebenfalls das Holz mit beiden Händen.
Die Vampirin stöhnte durchdringend auf und stemmte sich plötzlich kräftig gegen den Pfahl. Gerald sah auf dem weißen Kleid zwischen ihren Schultern einen roten Fleck aufblühen, aus dem mit einem Schwall von Blut, grässlich und unheimlich, die abgebrochene Spitze hervortrat. Nivellen brüllte auf, trat einen Schritt zurück, dann noch einen, dann begann er schnell zurückzuweichen, ohne jedoch die Stange loszulassen, und so zog er die durchbohrte Bruxa hinter sich her. Noch ein Schritt, und er stand mit dem Rücken an der Schlosswand. Das Ende der Stange, das er unter der Achselhöhle hielt, traf knirschend auf die Mauer.
Langsam, gleichsam sorgfältig, streckte die Bruxa die schmalen Hände das Holz entlang aus, beugte die Schultern so weit wie möglich vor, packte fest zu und schob sich weiter auf die Stange. Schon
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