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Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
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die Wahrheit erst auf dem Totenbett gestanden. Denn er wusste, was ich mit ihm gemacht hätte, wenn er diesen Schwur früher eingestanden hätte. Er wusste, wozu eine Mutter imstande ist, über deren Kind so leichtfertig verfügt wird.«
    Die Ritter und Edelleute schwiegen. Igel stand reglos wie eine eiserne, stachlige Statue.
    »Gokgokling aber«, fuhr Calanthe fort, »nun ja, Gokgokling hat mich daran erinnert, dass ich keine Mutter bin, sondern eine Königin. Also gut. Als Königin werde ich morgen den Rat einberufen. Cintra ist keine Tyrannei. Der Rat wird entscheiden, ob der Schwur des toten Königs über das Schicksal der Thronfolgerin geht. Er wird beschließen, ob sie und der Thron einem Dahergelaufenen gehören sollen oder ob nach den Interessen des Königreichs verfahren werden soll.«
    Calanthe verstummte für einen Moment und warf Geralt einen schrägen Blick zu.
    »Was aber die edlen Ritter angeht, die in der Hoffnung auf die Hand der Prinzessin nach Cintra gekommen sind ... Ich kann nur mein Bedauern über die schwerwiegende Missachtung und Entehrung ausdrücken, die sie hier erfahren haben. Über das Gespött, dem sie ausgesetzt wurden. Es ist nicht meine Schuld.«
    In dem Stimmengewirr, das unter den Gästen aufkam, vernahm der Hexer das Flüstern Eist Tuirseachs: »Bei allen Göttern der See. Das schickt sich nicht. Das ist offensichtlich Anstachelung zum Blutvergießen. Calanthe, du hetzt sie einfach . . .«
    »Sei still, Eist«, zischte die Königin wütend. »Sonst gerate ich in Zorn.«
    Mäussacks schwarze Augen blitzten, als der Druide mit ihnen auf Rainfarn von Attre wies, der im Begriff war, sich zu erheben, das Gesicht finster und verzerrt. Geralt reagierte sofort, kam ihm zuvor, stand als Erster auf und ließ dabei laut den Stuhl poltern. »Vielleicht wird es nicht nötig sein, den Rat einzuberufen«, sagte er laut und klingend.
    Alle verstummten und schauten ihn verwundert an. Geralt spürte den smaragdgrünen Blick Pavettas auf sich ruhen, den Blick Igels unter dem Gitter des Visiers hervor, er spürte auch die wie eine Flutwelle anschwellende 
Kraft
, die in der Luft hing. Er sah, wie unter dem Einfluss dieser 
Kraft
 der Rauch der Fackeln und Leuchter phantastische Gestalten anzunehmen begann. Er wusste, dass auch Mäussack es sah. Er wusste aber auch, dass kein anderer es sah.
    »Ich habe gesagt«, wiederholte er ruhig, »dass es vielleicht nicht nötig sein wird, den Rat einzuberufen. Du verstehst, was ich meine, Igel von Erlenwald?«
    Klirrend trat der stachelbewehrte Ritter zwei Schritte vor. »Ich verstehe es«, sagte er dumpf hinter dem Helmvisier hervor. »Ich bin ja nicht dumm. Ich habe gehört, was die gnädige und edle Prau Calanthe eben gesagt hat. Sie hat eine hervorragende Methode gefunden, mich loszuwerden. Ich nehme deine Herausforderung an, unbekannter Ritter!«
    »Ich kann mich nicht entsinnen«, sprach Geralt, »dich herausgefordert zu haben. Ich habe nicht vor, mich mit dir zu duellieren, Igel von Erlenwald.«
    »Geralt!«, rief Calanthe und vergaß, den Hexer mit »wohlgeborener Ravix« anzureden. »Überspann den Bogen nicht! Stell meine Geduld nicht auf die Probe!«
    »Und meine auch nicht«, setzte Rainfarn grimmig hinzu. Crach an Craite hingegen murrte nur. Eist Tuirseach zeigte ihm mit vielsagender Geste die geballte Faust. Crach murrte noch lauter.
    »Alle haben gehört«, sagte Geralt, »wie Baron von Tigg von den ruhmreichen Helden erzählt hat, die kraft ebensolcher Schwüre, wie ihn Igel dem König Roegner abverlangt hat, ihren Eltern weggenommen wurden. Warum aber, wozu verlangt jemand derlei Schwüre? Du kennst die Antwort, Igel von Erlenwald. Solch ein Schwur vermag ein mächtiges, unzerreißbares Band der Vorsehung zwischen demjenigen zu knüpfen, der den Schwur entgegennimmt, und dem Gegenstand des Schwurs, dem unerwarteten Kind. So ein Kind, vom blinden Schicksal auserwählt, kann zu ungewöhnlichen Dingen vorherbestimmt sein. Es kann imstande sein, eine unerhört wichtige Rolle im Leben dessen zu spielen, mit dem das Schicksal es verbindet. Ebendarum, Igel, hast du von Roegner den Preis verlangt, den du heute einforderst. Du willst nicht den Thron Cintras. Du willst die Prinzessin mitnehmen.«
    »Es ist genau, wie du sagst, unbekannter Ritter.« Igel lachte laut auf. »Ebendies fordere ich! Gebt mir diejenige, die mir vorherbestimmt ist!«
    »Das«, sagte Geralt, »muss sich noch zeigen.«
    »Du wagst es, daran zu zweifeln? Nachdem die Königin

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