Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wunsch

Der letzte Wunsch

Titel: Der letzte Wunsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
Verstand verloren hätte . . .«
    Abermals hieß ihn der Elf mit einer Handbewegung schweigen. Er gab einen knappen Befehl, und der Hexer und Rittersporn wurden unter eine Kiefer gezogen, mit Riemen am Stamm festgebunden. Dann knieten sich alle um die liegende Toruviel und verdeckten sie. Geralt hörte sie einmal aufschreien, während sie sich in den Händen der anderen hin und her warf.
    »Das habe ich nicht gewollt«, sagte der Teufel, der noch immer bei ihnen stand. »Ich habe es nicht gewollt, Mensch. Ich wusste nicht, dass sie gerade in dem Augenblick auftauchen würden, wo wir ... Als sie dich bewusstlos geschlagen und deinen Freund gefesselt hatte, bat ich sie, euch dort im Hopfen liegen zu lassen. Aber . . .«
    »Sie durften keine Zeugen zurücklassen«, murmelte der Hexer.
    »Sie werden uns doch nicht umbringen?«, stöhnte Rittersporn. »Sie werden uns doch nicht . . .«
    Torque wackelte schweigend mit der weichen Nase.
    »Verdammt«, stöhnte der Dichter abermals auf. »Sie werden uns töten? Was geht hier vor, Geralt? Wovon sind wir Zeugen geworden?«
    »Unser gehörnter Freund erfüllt im Blumental eine besondere Mission. Nicht wahr, Torque? Im Auftrag der Elfen stiehlst du Saatgut, Setzlinge, landwirtschaftliche Kenntnisse ... Was noch, Teufel?«
    »Was ich kriegen kann«, meckerte Torque. »Alles, was sie brauchen. Und das möchte ich sehen, was sie nicht brauchen. In den Bergen hungern sie, vor allem im Winter. Und von Landwirtschaft haben sie keine Ahnung. Ehe sie Vieh oder Geflügel zähmen, ehe ihnen irgendwas auf den winzigen Feldern gedeiht ... Ihnen fehlt die Zeit dazu, Mensch.«
    »Ihre Zeit kümmert mich einen Scheißdreck. Was habe ich ihnen getan?«, stöhnte Rittersporn. »Was habe ich ihnen Böses getan?«
    »Denke gut nach«, sagte der weißhaarige Elf, der lautlos herbeigekommen war, »dann kannst du dir diese Frage vielleicht selbst beantworten.«
    »Er rächt sich einfach für alles Leid, das Elfen von Menschen widerfahren ist.« Der Hexer lächelte schief. »Es ist ihm egal, an wem er sich rächt. Lass dich nicht von seiner edlen Gestalt und seiner gewählten Rede irreführen, Rittersporn. Er unterscheidet sich in nichts von der Schwarzäugigen, die uns getreten hat. Er muss seinen ohnmächtigen Hass an jemandem auslassen.«
    Der Elf hob Rittersporns zerbrochene Laute auf. Eine Weile betrachtete er schweigend das zerstörte Instrument; schließlich warf er es ins Unterholz.
    »Wenn ich dem Hass oder dem Rachedurst nachgeben wollte«, sagte er, während er mit einem Paar Handschuhe aus weichem weißen Leder spielte, »würde ich nachts ins Tal einfallen, die Gehöfte anzünden und die Bewohner abschlachten. Kinderleicht, sie stellen nicht einmal Wachen auf. Wenn sie in den Wald gehen, sehen und hören sie uns nicht. Was könnte einfacher sein, was leichter, als ein rascher, lautloser Pfeil hinter einem Baumstamm hervor? Doch wir machen keine Jagd auf euch. Du Mensch mit den sonderbaren Augen warst es, der auf unseren Freund, den Silvan Torque, Jagd gemacht hat.«
    »Äääh, das ist übertrieben«, meckerte der Teufel. »Was denn für eine Jagd. Wir haben uns ein bisschen ausgetobt . . .«
    »Ihr Menschen seid es, die alles hassen, was sich von euch unterscheidet, und sei es nur in der Form der Ohren«, fuhr der Elf ruhig fort, ohne den Gehörnten zu beachten. »Darum habt ihr uns unser Land weggenommen, uns aus unserem Zuhause verjagt und in die wilden Berge verdrängt. Ihr habt unser Dol Blathanna besetzt, das Blumental. Ich bin Filavandrel aén Fidháil von den Silbernen Türmen, aus dem Geschlecht der Feleaorn von den Weißen Schiffen. Jetzt, vertrieben und an den Rand der Welt gedrängt, bin ich Filavandrel vom Rande der Welt.«
    »Die Welt ist groß«, murmelte der Hexer. »Wir haben alle Platz darin.«
    »Die Welt ist groß«, wiederholte der Elf. »Das ist wahr, Mensch. Doch ihr habt diese Welt verändert. Zuerst habt ihr sie mit Gewalt verändert, seid mit ihr so verfahren wie mit allem, was euch in die Hände fiel. Jetzt sieht es aus, als ob die Welt begonnen hat, sich an euch anzupassen. Sie hat sich euch unterworfen. Ihr habt sie besiegt.«
    Geralt antwortete nicht.
    »Torque hat die Wahrheit gesagt«, fuhr Filavandrel fort. »Ja, wir hungern. Ja, uns droht die Vernichtung. Die Sonne scheint anders, die Luft ist anders, das Wasser ist nicht mehr wie einst. Was wir früher gegessen, was wir benutzt haben, kommt um, verkrüppelt, verdirbt. Wir haben nie den Boden bestellt,

Weitere Kostenlose Bücher