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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Heiligkeit«, erwiderte ich und küßte seine Hand.
    »Niemand hat dich vergessen. Wie geht es dir?«
    Es ging ihm nicht allzugut. Er hatte ein wenig Fieber und eine leichte Dysenterie und machte einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. Ich untersuchte ihn gründlich und empfahl ihm klare Brühe gegen seine Dysenterie. Da die Wachsoldaten zuhörten, konnte ich ihm nicht viel erzählen, ich versicherte ihm jedoch, daß seine Freunde an ihn dächten und für ihn beteten.
    »Und ich bete für sie«, antwortete er. »Ich habe einiges gehört, was passiert ist.« Er schwieg einen Augenblick und starrte seine Fesseln an, dann blickte er mit Tränen in den Augen auf. »Ich wünschte, Thanassi hätte mich nicht zum Nachfolger ernannt. Ich bin es nicht wert, auf dem erzbischöflichen Thron zu sitzen. All diese Menschen, die meinetwegen Marterqualen erleiden. Ich habe schon jetzt versagt.«
    »Du warst krank«, erwiderte ich. »Es ist zu früh, um von Versagen zu reden. Und du weißt ganz genau, daß auch Athanasios gesagt hat, er sei unwürdig und hätte den Thron niemals besteigen sollen. Du bist also in guter Gesellschaft.«
    Er schüttelte den Kopf. »Thanassi war anders. Er fürchtete sich davor, was die Macht ihm antun würde und was er mit ihr tun würde, doch er wußte stets, wie er sie erringen und benutzen mußte. Er versuchte, dem Thron zu entgehen – er ließ sich sogar nach Konstantinopel schicken, als Erzbischof Alexandros im Sterben lag – doch niemand zweifelte je daran, daß er zum Nachfolger bestimmt war. Ich dagegen! Ich kann nicht mal auf mich selbst aufpassen, gar nicht zu reden von Rat und Hilfe für andere, die sich in Not befinden. Der Thron hätte an Theophilos gehen sollen.«
    Ich bemerkte, daß die Wachen bei diesen Worten aufmerkten, aber ich lächelte nur und sagte: »Seine Heiligkeit hat dich ernannt, und du wirst doch zugeben, daß er im allgemeinen recht gut wußte, was er tat. Nur Mut! Wir werden tun, was wir können, um deine Lage ein bißchen angenehmer zu gestalten.«
    »Kannst du mir eine Kopie der Heiligen Schrift oder einige Evangelien zukommen lassen?« fragte er. »Ich habe hier nichts zu lesen, und es ist schwer, dem Glauben treu zu bleiben, wenn der Geist müßig ist.«
    Ich versprach ihm, die Behörden darum zu bitten, und wurde aus dem Raum geleitet. Bevor ich die Zitadelle verließ, wurde ich in der Residenz des Präfekten in einen kleinen Raum geführt und von zwei Beamten lange Zeit verhört. Einer von ihnen war ein Notar, der sich von allem, was ich sagte, Notizen in Kurzschrift machte. Sie wollten etwas über Theophilos und einige der anderen Geistlichen in Erfahrung bringen. Ich tat so, als glaubte ich, sie seien aus der Stadt geflohen. Sie boten mir ein Bestechungsgeld an, das ich mit vielen Entschuldigungen und mit der Bemerkung ablehnte, ich sei bloß ein Arzt und niemand habe mir auch nur die geringsten Informationen anvertraut. Ich erzählte ihnen alles über Athanasios’ Krankheit und über den Gesundheitszustand von Petrus, und gab ihnen eine Fülle medizinischer Einzelheiten, die sie gar nicht wissen wollten. Dann erwähnte ich Petrus’ Bitte um Bücher, mißbilligte diese leicht und spielte, so gut ich konnte, den selbstgefälligen Arzt. Sie schickten jemanden zu dem Präfekten hinein, um ihn danach zu fragen, und er ließ mir ein Papyrus zukommen, das mich dazu ermächtigte, Petrus eine Sammlung der Evangelien zu bringen. Schließlich ließen mich meine Befrager gehen. Die Wache führte mich zum Tor der Zitadelle zurück; die schweren Türen wurden geöffnet, und ich befand mich wieder in der heißen, lärmenden, jedermann zugänglichen Stadt. Ich seufzte erleichtert auf und mußte mich erst einmal einen Augenblick lang setzen, um mich zu beruhigen. Erst jetzt, da die ganze Tortur vorüber war, konnte ich mir selbst eingestehen, welche Angst ich gehabt hatte.
    Als ich sicher war, daß mich niemand verfolgte, ging ich zu Theophilos und erzählte ihm alles über das Gespräch. Er war sehr erfreut. »Ein Wachturm«, sagte er. »Wenn wir ihn da herausholen könnten, wäre es keine große Sache, ihn in ein Boot zu verfrachten und aus der Zitadelle zu schaffen. Wenn wir ihm auf irgendeine Weise Geld bringen und die Wachen bestechen können… ja, das hast du sehr gut gemacht, Chariton. Danke.«
    »Möchtest du, daß ich die Stadt jetzt verlasse?« fragte ich ein wenig ängstlich.
    »Nein, tu das nicht! Sie werden dich im Augenblick sicherlich beobachten und würden

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