Der Leuchtturm von Alexandria
frei geboren und stamme aus guter Familie!«
»Du bist ein dreckiger, arschleckender Sklave des Athanasios!« antwortete einer der Soldaten. Aber sie schlugen mich nicht mehr. Es ist ungesetzlich, Männer von edler Geburt zu foltern , und die »gute Familie« eines Opfers konnte einen Soldaten ruinieren.
»Sobald er im Kerker ist, werden wir überprüfen, wer er ist«, sagte der Chef der Soldaten zu den anderen. »Fesselt ihn.«
Sie fesselten mir die Hände mit einem langen Lederriemen auf dem Rücken zusammen, wobei sie das eine Ende herabhängen ließen, um mich daran festzuhalten. Dann stießen sie mich in die andere Ecke des Zimmers, um mich aus dem Weg zu haben, und fuhren damit fort, meine Sachen zu durchsuchen. »Bei Kybele!« rief einer der Soldaten aus. »Was für ein Haufen Bücher!«
Der Hauptmann zog die Abhandlung des Athanasios über die Menschwerdung des Wortes heraus und schnaubte verächtlich; einer der anderen hielt den Galen in die Höhe. Das Buch öffnete sich auf der Seite, auf der die Abbildungen des Herzens und der Lungen zu sehen waren, und der Soldat glotzte sie mit offenem Mund an. »Ist das Magie?« fragte er seinen Vorgesetzten nervös.
»Das ist ein medizinischer Text über Anatomie«, warf ich eilig ein.
Der Soldat sah mich finster an und hielt das Buch an die Fackel, um zu sehen, ob es brennen würde.
»Nein!« schrie ich laut auf. »Bitte nicht! Es ist sehr wertvoll!«
Daraufhin betrachteten sie es nachdenklich und mit größerem Respekt. »Nimm es lieber als Beweis mit«, meinte der Hauptmann. »Die Briefe ebenfalls.«
So packten sie all meine Bücher und die paar Briefe auf dem Schreibpult in die Kleidertruhe. Sie nahmen mir auch meine Medizintasche weg und legten sie obendrauf. Sie suchten nach Geld, aber ich bewahrte nicht viel in meinem Zimmer auf: Ich hatte alle meine Wertsachen nach wie vor bei meinem Geldhändler. Sie nahmen das verstreut herumliegende Kleingeld und steckten es in ihre Taschen. Dann stießen sie mich die Treppe hinunter. Während zwei von ihnen die Truhe schleppten und dabei über das Gewicht der Bücher fluchten, hielten mich die anderen an dem Riemen fest, mit dem meine Handgelenke gefesselt waren. Sie zerrten mich die Treppe hinunter und durch das leere Haus, die Straßen entlang und in das Gefängnis der Zitadelle.
Der Arzt eines Erzbischofs hat kein Anrecht auf eine Einzelzelle; ich wurde in das normale Gefängnis geworfen, in dem sich schon etwa zwanzig andere Männer und Frauen befanden. Meine Wächter führten mich bei Fackellicht hinein, dann standen sie einen Augenblick lang unschlüssig da und suchten etwas, woran sie mich festbinden konnten. Das Gefängnis war dunkel, die Wände waren aus unbehauenen Steinen; auf dem Fußboden lag eine dünne Schicht schmutzigen Strohs voller Flöhe. Erschrockene Augen blickten verwirrt in das Licht der Fackeln. Ein paar vor Schmutz starrende Körper richteten sich mühsam auf, duckten sich vorsichtig lauernd wieder zusammen und beobachteten uns, während andere Gefangene völlig erschöpft in einer Ecke lagen und schliefen. Man hörte das Klirren von Ketten, ein leises Stöhnen. Der ganze Raum stank. Es gab lediglich einen Graben entlang der Mauer, der als Latrine diente; er war übersät mit Fliegen. So spät in der Nacht konnten die Gefängniswärter keine Ketten mehr für mich suchen. Sie fanden einen freien Ring, der in die Mauer eingelassen war, stießen einen der Schläfer mit dem Fuß zur Seite, zerrten mich dorthin und befestigten den Lederriemen daran. Ein Wärter versetzte mir einen Fußtritt gegen die Beine, so daß ich in das Stroh fiel. »Man wird dich morgen verhören«, sagte er, »und auf die Folterbank spannen, falls du wirklich ein Sklave bist. Wegen der Ketten können wir uns dann immer noch Gedanken machen.« Er und seine Kameraden marschierten mit den Fackeln hinaus und ließen den Kerker im Dunkel.
Ich hatte keine Zeit, lange dort zu liegen und mich zu fragen, was eigentlich geschehen war. Sobald die Wachen gegangen waren, fingen die anderen Gefangenen an, Fragen zu stellen: Wer war ich? War ich ebenfalls um des Glaubens willen eingesperrt worden? Stimmte es, daß Erzbischof Petrus entkommen war? Dann begann eine der Gefangenen aufgeregt zu rufen. Erschrocken erkannte ich selbst durch meine Erstarrung hindurch ihre Stimme: die Nonne Amundora. »Er hat unseren Herrn gerettet, Erzbischof Petrus!« berichtete sie den anderen.
Sie erzählte ihnen alles über mich: Ich sei ein fremder
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