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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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ungeduldig. »Hast du Angst?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich bin nicht scharf darauf, gefoltert zu werden.«
    »Wir würden dich hinterher aus der Stadt schaffen«, sagte er beruhigend. »Wir würden es nicht zulassen, daß sie dich einkerkern.«
    Ich erwiderte nichts.
    Theophilos schlug mit der flachen Hand auf sein Schreibpult, seine Augen funkelten ärgerlich. »Sieht so deine Treue zu deiner Kirche und deinem Erzbischof aus?« begehrte er zu wissen.
    »Was spielt es denn für eine Rolle, ob du aus der Stadt fliehen mußt? Erzbischof Petrus kann von dir mit Fug und Recht erwarten, daß du ihm hilfst! Er ist dein geistlicher Vater, dein Freund, der dir, ich weiß nicht wie oft, Gastfreundschaft gewährt hat. Und er ist dein Patient, ich dachte, das zählt etwas in deinen Augen. Erachtest du deine Karriere für mehr wert als sein Leben?«
    Ich stöhnte nur. Es war spät in der Nacht, und ich hatte den ganzen Tag lang Verwundete behandelt. Am Morgen waren zwei meiner Patienten an Blutvergiftung gestorben und diese Nacht würde wieder einer sterben. Ich fühlte mich schuldig und war beschämt, daß ich inmitten derartigen Leidens verschont geblieben war. Ich hatte an keinem Aufruhr teilgenommen, hatte nicht versucht, den Erzbischof zu befreien, hatte überhaupt nicht gekämpft; ich hatte mich in mein Zimmer eingeschlossen, bis es draußen wieder sicher war. Theophilos’ Worte verletzten mich.
    »Was machen sie, wenn sie einen durchsuchen?« fragte ich ihn.
    Wenn ein wichtiger Gefangener von seinem Arzt Besuch erhält, wird der Arzt nur sehr oberflächlich durchsucht. Ich hatte damit gerechnet, entkleidet zu werden, hatte gedacht, daß zumindest meine Kleider nach irgendwelchen geheimen Botschaften oder eingenähten Messern durchsucht werden würden, und heimlich hatte ich mir einen Penis gebastelt und am richtigen Platz befestigt, um jede tastende Hand zu täuschen. In Wirklichkeit beobachten die Gefängniswärter die Gefangenen die ganze Zeit über und verlassen sich darauf, auf diese Weise alles zu entdecken, was die Freunde des Gefangenen unter Umständen für ihn ins Gefängnis geschmuggelt haben.
    Ich beantragte beim Präfekten eine Besuchserlaubnis für Petrus und erhielt einen Brief, der mich zu einem Besuch ermächtigte. Die Zitadelle war schwer bewacht; als ich mich am Tor zeigte, wurde mein Schreiben sorgfältig geprüft, bevor ich durchgelassen wurde. Dann mußte ich im Wachraum auf einen Begleitsoldaten warten. Ich war noch nie zuvor in der Zitadelle gewesen. Durch das Fenster des Wachraums sah ich auf die breiten Straßen, auf die Säulen aus Marmor und Vulkangestein vor den öffentlichen Gebäuden und auf die hochgewachsenen, grünen Dattelpalmen hinter den Mauern der Privatgärten. Es war hier sehr viel ruhiger als in der Stadt.
    Schließlich erschien eine von Petrus’ Wachen, ein stämmiger Soldat, der einen schwarzen Umhang über seinem Harnisch aus Bronze und Leder trug, beäugte mich mißtrauisch und prüfte mein Erlaubnisschreiben. Dann nickte er und führte mich in die ruhige Straße hinaus. Es stellte sich heraus, daß der Erzbischof in einem der Wachtürme gefangengehalten wurde, die den Großen Hafen überblicken. Mein Begleitsoldat brachte mich dorthin und übergab mich einer anderen Wache, die meinen Brief noch einmal prüfte. Nachdem er sich das Siegel genau angesehen hatte, durchsuchte er meine Medizintasche und ließ mich dann hinauf, um Petrus zu besuchen.
    Der Erzbischof wurde in einem ziemlich großen Raum festgehalten. Das Fenster war vergittert, sonst aber hätte es jeder beliebige Raum in einem Privathaus sein können, ein sauberes, weißes Zimmer mit einem in roten und weißen Ziegeln ausgelegten Fußboden, einem Bett, einer Ruhebank, einem Nachtgeschirr und einem Schreibpult, allerdings gab es keinerlei Bücher oder Papyri. Als ich hereinkam, lag Petrus auf dem Bett, und zwei weitere Wachsoldaten saßen auf einer Bank und würfelten. Die Hände des Erzbischofs waren zusammengekettet, und die Kette war an einem Stützbalken an der Wand befestigt. Aber es war eine ziemlich lange und nicht sehr grobe Kette mit einigermaßen geschmeidigen Gliedern. Ich hatte eine Menge Verletzungen behandelt, die von starren Ketten verursacht worden waren, und deshalb war ich sehr froh.
    »Chariton!« rief Petrus aus, als ich hereinkam. Er richtete sich auf und sah mich strahlend an. »Sei gesegnet, mein lieber Bruder! Ich habe schon gedacht, ihr hättet mich völlig vergessen!«
    »Sei gegrüßt,

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