Der Leuchtturm von Alexandria
keine einzige Kupferdrachme kosten, mir dagegen die Dienste einer Reihe von Pflegern sichern, die ich überall dort einarbeiten konnte, wo ich sie benötigte.
Dann mußte ich unbedingt dem Blutdurst von Xanthos und Diokles einen Riegel vorschieben. Ich hätte es vorgezogen, sie alle beide ganz loszuwerden, vor allem Xanthos, doch das stand nicht in meiner Macht. Wenn ich es erreichte, daß Sebastianus und der Tribun Valerius ihnen verboten, irgendwelche Patienten ohne meine Einwilligung zur Ader lassen oder ihnen Arzneimittel zu verabreichen, so würde das genügen müssen. Es wäre demütigend für sie, aber das war nicht zu ändern. Falls sie sich weigerten, könnte Sebastianus sie vielleicht irgendwo anders hinschicken; dann würde ich jedenfalls nicht zusehen müssen, wie sie die Männer vor meinen Augen abschlachteten. Schließlich müßte ich klarstellen, daß Arbetio nur noch zu sanitären Hilfsdiensten und nicht mehr zu niederen Arbeiten herangezogen werden durfte.
Der dritte Punkt mußte wahrscheinlich bis zum Ende des Winters warten. Ich mußte den Soldaten am Oberlauf des Flusses einen Besuch abstatten und mit ihnen sprechen. Ich mußte sie von den Gefahren der Aderpresse überzeugen, ihnen Anweisungen geben, wie sie leichtere Fieberanfälle an Ort und Stelle behandeln konnten, und sie darüber aufklären, wann sie ihre Kranken unbedingt in das Hospital nach Novidunum schicken mußten. Wenn Sebastianus recht gehabt hatte, als er sagte, weiter oben im Westen wüte die Pest, würde es auch äußerst nützlich sein, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Pestfälle zu isolieren und die Lager zu reinigen.
So ging ich in mein Zimmer im rückwärtigen Teil des Hauses, schrieb einen langen Brief an Sebastianus, siegelte ihn und sandte ihn mit dem ersten Kurier fort. Eine Woche später erschien Sebastianus höchstpersönlich in der Festung. Ich war gerade im Hospital beim Ausbrennen einer Wunde. Es war das zweite Mal, daß ich es bei ein und demselben Patienten tun mußte. Die Verletzung an der Schulter des Mannes war bei seiner Einlieferung brandig gewesen. Ich hatte dem Patienten eine Alraunwurzel zur Betäubung verabreicht und das verfaulte Fleisch weggebrannt. Dann hatte ich die Wunde gesäubert und verbunden. Ein paar Tage lang war sie sauber geblieben, dann war sie plötzlich erneut infiziert. Ich war höchst überrascht und fragte den Patienten deswegen aus. Er erzählte mir, Xanthos habe sie ihm einmal gereinigt als ich beschäftigt war. Und er hatte sie mit diesem verdammten, verfaulten Wasser gereinigt. Ich schärfte ihm ein, falls Xanthos das noch einmal versuchen sollte, solle er um Hilfe schreien und falls das nichts nutze, den Mann töten, so wie er auch eine giftige Schlange töten würde. Ich gab dem armen Mann noch eine Alraunwurzel und erhitzte gerade die Eisen, als einer der Boten aus dem Hauptquartier auftauchte und sagte: »Der vorzügliche Heerführer Sebastianus möchte mit allen Ärzten sprechen.«
Ich schickte Arbetio, der mir Hilfestellung leistete, sofort zum Hauptquartier und arbeitete weiter. Ich wußte nicht, wo Xanthos war; Diokles war unten in Histria und füllte sich die Taschen.
Als ich den Patienten endlich versorgt hatte, nahm ich die Schlachtermütze ab, die ich bei derartigen Gelegenheiten trug, und eilte schnurstracks ins Präsidium. Sebastianus saß nicht auf der Ruhebank, sondern am Schreibpult des Tribunen und klopfte mit den Fingern ungeduldig auf die Platte. Xanthos stand dicht daneben und sah mir selbstgefällig entgegen, weil ich den Heerführer hatte warten lassen. Arbetio und der Tribun Valerius machten alle beide den Eindruck, als fühlten sie sich in ihrer Haut ganz und gar nicht wohl. Ich war viel zu wütend, um mich dafür zu interessieren. Derartiger Ärger, stetiger, bohrender Ärger, der unaufhörlich im Magen wühlt, war etwas, woran ich nicht gewohnt war. Ich mußte ihn unbedingt loswerden.
»Vortrefflicher«, sagte ich, »es tut mir leid, daß ich dich habe warten lassen. Ich hatte einen Patienten.«
»Das hat man mir erzählt«, erwiderte Sebastianus. Er warf einen Blick auf die beiden anderen.
»Ja, und die Operation wäre absolut unnötig gewesen«, fuhr ich fort und gab dem Heerführer keine Möglichkeit, die Besprechung friedlich zu eröffnen. »Die Wunde war durch Reinigungsmethoden infiziert, die ich ausdrücklich verboten habe. Ich habe dem armen Patienten gesagt, wenn irgend jemand versuchen sollte, seine Wunden noch einmal auf diese
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