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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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sprechen; und schließlich gingen wir alle miteinander in die Lagertaverne und unterhielten uns lebhaft über Pferdekrankheiten und Wagenrennen. Die Soldaten in Novidunum waren überzeugt, daß jemand, der Pferde zu heilen vermochte, kein schlechter Mensch sein konnte.
    Reiten war jedoch etwas anderes. Ich hatte noch nie in meinem Leben auf einem Pferd gesessen. Ich konnte es nicht bändigen. Als ich zusammen mit einem Trupp Soldaten und etwas Verpflegung flußaufwärts zur nächsten Festungsanlage loszog, mußten die Soldaten mich aus einer Schneewehe befreien, nachdem das Pferd versucht hatte, in seinen schönen warmen Stall zurückzukehren. Selbst, als sie mich wie ein Kind an eine Führungsleine nahmen, hatte ich Schwierigkeiten. Das Reiten beansprucht Muskeln, von denen ich noch nicht einmal wußte, daß es sie gab; es trommelt so auf ihnen herum, wie ein Koch auf seinem Fleisch herumtrommelt. Und es war bitterkalt – ich hätte mir niemals träumen lassen, daß es überhaupt so kalt sein könne. Das Donaudelta fing an zuzufrieren und Eisschollen trieben über den dunklen Fluß. Der Himmel war weiß vom Winterlicht, und die Erde war weiß von Schnee; auch die Bäume waren über und über weiß. Die hier wohnenden Leute waren vernünftig genug, an ihrem warmen Herdfeuer zu bleiben; des Nachts kamen Wölfe bis an die Türen, schnüffelten an ihnen herum und hinterließen ihre Fußspuren im Schnee. Auch in Ephesus hatte es bisweilen geschneit, aber dieser Schnee schmolz immer wieder schnell und war innerhalb von ein oder zwei Tagen verschwunden. In Skythien häuft sich der Schnee, eine Lage über die nächste, bis die ganze Welt aus nichts anderem mehr zu bestehen scheint. Ich hatte meine anerzogenen Vorurteile beiseite geschoben und von einem Händler in der Festung zwei Paar Hosen gekauft, dazu einige Strümpfe und ein Paar weite Stiefel, wie sie an der Grenze gerne getragen werden. Dann mußte ich noch einmal losziehen und einen Pelzmantel kaufen, da meine alten Umhänge, auch wenn sie für Ägypten sehr schön gewesen sein mochten, für einen skythischen Winter erbärmlich dünn waren. Selbst in diesem Aufzug zitterte ich noch, als wir jetzt flußaufwärts zu reiten begannen. Bevor wir auch nur eine Meile weit geritten waren, war ich völlig durchgefroren. Als wir das nächste Lager erreichten, war ich total erschöpft, halb erfroren und kam mir lächerlich vor.
    Doch lächerlich oder nicht, ich hielt meinen Vortrag vor den Soldaten, führte ihnen einige Krüppel vor und wies darauf hin, wie schädlich die Adernpressen waren. Ich zeigte ihnen Möglichkeiten auf, leichteres Fieber an Ort und Stelle zu behandeln. Ich überprüfte die sanitären Einrichtungen, dann sah ich nach dem Trinkwasser und gab dem örtlichen Tribun Anweisungen, was er im Falle von ansteckenden Krankheiten tun sollte. Als wir zum nächsten befestigten Lager aufbrachen, war ich sehr zufrieden mit mir.
    Ich schaffte es nicht, in jenem Winter allen Lagern einen Besuch abzustatten. Dies gelang mir erst bis zum Ende des darauffolgenden Jahres. Doch auch so hatten die Soldaten bis zum Frühjahr bereits von mir gehört und befolgten meine Ratschläge. Zuerst hätte ich ebensogut mit dem Wind reden können, doch die Veränderungen, die ich im Hospital vorgenommen hatte, zeitigten inzwischen spektakuläre Erfolge. Xanthos prophezeite jedem, der es hören wollte, ein Patient nach dem anderen würde durch meine Methode sterben, doch ein Patient nach dem anderen wurde gesund. Natürlich gab es Ausnahmen – Krankheiten sind ein bei weitem gefährlicherer Feind als die Barbaren, und auch der beste Arzt kann einen Wundstarrkrampf oder eine Blutvergiftung nicht heilen. Doch die Soldaten waren wirklich ideale Patienten: jung, gut genährt, aktiv. Männer, die von Natur aus viel besser dazu geeignet waren, mit einer Krankheit fertig zu werden als all die älteren und von Armut ausgelaugten Alexandriner, die vorher in meiner Behandlung gewesen waren. Zum erstenmal in der Geschichte dieses traurigen Hospitals übertraf die Zahl der Soldaten, die es gesund verließen, die Zahl derjenigen Soldaten, die in ihm starben. Xanthos fing an, dunkle Andeutungen über Zauberei zu machen. Sebastianus aber war begeistert.
    Thorion nicht. Als ich in jenem ersten Januar von meinem Ausflug flußaufwärts zurückkehrte, erfuhr ich, daß er mir durch den kaiserlichen Kurier einen Brief geschickt hatte. Ich fand ihn auf dem Schreibpult in meinem Hause vor. Er war mehrfach

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