Der Leuchtturm von Alexandria
»Gott segne dich!« sagte ich inbrünstig und begann, die Riemen aufzuknöpfen. Da waren meine Heilkräuter also tatsächlich: alles, worum ich gebeten hatte, und sogar etwas Mohnsamen für Opium, er brauchte nur ausgesät zu werden. Außerdem ein ausführlicher Brief von Philon. Ich hätte Athanaric küssen mögen. Doch ich stand nur da und glotzte ihn an.
»Dein Freund Philon hat sie für dich zusammengestellt«, erzählte er. »Er meinte, von dem Verkauf dieses Ringes sei noch etwas Wechselgeld übrig. Ich habe ihm gesagt, er solle es behalten, und ihm eine Lizenz verschafft, die Post zu benutzen, um irgendwann Nachschub schicken zu können.«
»Gott segne dich«, wiederholte ich und blickte Athanaric strahlend an. Er sah großartig aus. Die Hosen machten keinen so barbarischen Eindruck mehr auf mich, seit ich selbst welche trug. Sein Gesicht war vom Wind gerötet, und er lachte vor Lebensfreude. »Was tust du hier?« fragte ich ihn. »… Vortrefflicher«, fügte ich rasch hinzu: Nach dem Gefallen, den er mir gerade erwiesen hatte, wollte ich unter keinen Umständen unhöflich sein. »Hast du Zeit, mit mir zu Abend zu essen?«
Er grinste. »Nein, keine Zeit fürs Abendessen, leider. Ich muß eine Botschaft des Hofes nach Sirmium bringen; ich komme nur eben durch Novidunum, um dies Zeug hier abzuliefern. Vielleicht ein andermal? Ich bin jetzt wahrscheinlich für längere Zeit in Thrazien; man hat mich hergeschickt, um die Posten an der Front zu reorganisieren.«
»Darf ich dir dann zumindest etwas zum Trinken besorgen?«
»Das ist eine gute Idee.« Er sah sich im Hospital um. »Du scheinst nicht so furchtbar viel zu tun zu haben.« Die meisten Betten waren leer.
»Es ist das Wetter«, erklärte ich ihm. »Wenn jemand stirbt, dann tut er es im Winter, und das kann man wohl auch niemandem zum Vorwurf machen. Es wäre ganz einfach zu schmerzlich, die Welt verlassen zu müssen, wenn sie sich so präsentiert wie im Augenblick.«
Wir gingen in die Lagertaverne, und ich kaufte einen Krug des besten Weins, den sie da hatten, einen ziemlich feurigen Rotwein, der die Küste herauf aus der Provinz Europa gebracht worden war. Es war später Vormittag, und eine ganze Anzahl der dienstfreien Männer saß herum und trank etwas; wir fanden nirgends mehr einen Platz. Athanaric pfiff und alle sahen ihn an. »Ich bin Athanaric, der Sohn des Ermaneric von Sardica«, verkündete er. »Ich brauche einen Platz, um mich mit meinem Freund irgendwo setzen zu können.«
Sofort sprangen sämtliche Goten in der Taverne auf, brummten etwas und verbeugten sich. Athanaric nahm am besten Tisch Platz, und ich stellte den Weinkrug ab, dann wollte ich ein wenig Wasser holen. Aber das war nicht nötig. Der Besitzer der Taverne eilte mit einem Krug frischen Wassers und mit seiner schönsten Schale zum Mischen herbei. Dann eilte er ebenso schnell wieder weg und kam mit zwei seiner eigenen ägyptischen Trinkbecher aus Glas zurück. Er verbeugte sich vor Athanaric und sagte etwas auf gotisch. Athanaric antwortete ihm in der gleichen Sprache und entließ ihn mit dem Winken seiner Hand. Er sah mich an und lachte. »Die Treue der Barbaren«, stellte er fest.
»Ich habe schon von deinem Onkel gehört«, erwiderte ich. Seit meiner Ankunft in Novidunum hatte ich in der Tat eine ganze Menge von ihm gehört; viele unserer Soldaten waren Goten vom Stamme der Terwingen, und die übrigen hatten gegen die Männer König Athanarics gekämpft. »In diesem Teil der Welt haben alle von ihm gehört.« Athanaric goß den Wein und etwas Wasser in die Mischschale, und ich schenkte ein. »Das ist einer der Gründe, warum ich so gerne in diese Gegend komme. Was hältst du von Thrazien, vortrefflicher Chariton?«
»Ich mag es«, sagte ich und stellte zu meiner Überraschung fest, daß es stimmte. Zum Teil lag es einfach daran, daß die Landschaft gerade jetzt, im Frühling, so schön war. Doch ich mochte auch den weiten Raum um mich herum, vor allem nach all dem Schmutz und dem Menschengewimmel von Alexandria. Ich liebte meine Verantwortung für das Hospital, verspürte Freude und Stolz, wenn ich daran dachte, was ich hier bewirkte. Ich liebte es, mein eigener Herr in meinem eigenen Haus zu sein und in der Festung respektiert zu werden. Ich fing sogar an, Spaß am Reiten zu finden, jetzt, da meine Muskeln sich allmählich daran gewöhnten und es nicht mehr so kalt war. »In mancher Hinsicht finde ich es hier ebenso schön wie in Alexandria.«
»Tatsächlich?«
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