Der Leuchtturm von Alexandria
hinunter. Es war eine wundervolle, glückliche Reise. Ich glaube, kein einziges Mitglied der Reisegesellschaft freute sich darüber, am Abend unserer Ankunft Marcianopolis schwarz drohend vor dem Hintergrund der Berge auftauchen zu sehen.
Es war ein eigenartiges Gefühl, sich daran zu erinnern, welch barbarischen Eindruck die Stadt beim erstenmal auf mich gemacht hatte. Jetzt war sie in meinen Augen ein ganz gewöhnlicher Ort. Sebastianus entließ seine Soldaten in ihre Unterkünfte und lud mich ein, zusammen mit seinem Haushalt in einem Flügel des Hauptquartiers zu wohnen. Er hatte einen Kurier vorausgeschickt, um seine Ankunft anzukündigen. Seine gewohnten Räume waren also bereits für ihn vorbereitet. Sebastianus bot mir auch einen seiner Sklaven an, der während meines Aufenthaltes für mich sorgen sollte, aber ich lehnte das Angebot dankend ab. So konnte ich wenigstens ein bißchen ungestört sein. Ich wusch mich, streifte meine Ersatztunika, die nicht nach Pferd roch, über und entschloß mich dazu, ein neues Paar Hosen zu kaufen. Sebastianus’ Sklave klopfte und überbrachte eine Einladung von seinem Herrn zum Abendessen. Ich dankte ihm und ging hinunter in das Speisezimmer, in dem ich zum erstenmal mit dem Heerführer gegessen hatte. Der erste, den ich nach meinem Eintritt entdeckte, war Athanaric.
Ich hatte nicht erwartet, ihn hier zu sehen, und war nicht auf der Hut. Wie angewurzelt blieb ich auf der Türschwelle stehen, mein Herz schlug heftig. Ich spürte, wie mein Gesicht ganz heiß wurde. Glücklicherweise befanden sich in der Nähe der Tür keine Lampen, so daß niemand meine Röte bemerkte. Sobald Athanaric mich sah, lächelte er mir einen Willkommensgruß zu, eilte herbei und ergriff meine Hand. »Willkommen, Chariton!« sagte er. »Ich habe den Eindruck, daß ich Sebastianus’ Gegenwart hier dir verdanke. Gut gemacht!«
Ich erwiderte nichts; ich versuchte, meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Athanarics Begrüßung machte mich einigermaßen benommen, so als schwebe ich über einer riesigen Leere dahin.
»Er hat sogar Theodoros dazu überredet, Getreide zu schikken«, berichtete Sebastianus seinem Freund.
»Unsterbliche Götter!« entgegnete Athanaric. »Wie hast du denn das geschafft? Ich habe versucht, ihm gut zuzureden, doch es führte zu nichts: Er sagte, er könne kein Getreide bekommen.«
Es gelang mir, zu niesen, um mein benommenes Schweigen zu entschuldigen. »Jeder Statthalter kann zusätzliches Getreide bekommen, wenn er die Landeigentümer nur ein bißchen unter Druck setzt«, meinte ich schließlich. »Es ging also einzig und allein darum, Thorion von der Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zu überzeugen. Er ist ein anständiger Mann, er mag es nicht, wenn andere leiden. Und ich hatte gerade geholfen, seinen erstgeborenen Sohn zu entbinden.«
»Die Vorteile der hippokratischen Methode!« sagte Athanaric und grinste. »Nun, ich freue mich, einen so mächtigen Verbündeten zu haben.«
»Ich dachte, du bist in Antiochia.«
»Ich komme gerade von dort.« Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, und ich bemerkte, daß er müde und erschöpft aussah. »Unsere dortigen Verbündeten sind nicht so tüchtig. Der erlauchte Eutherios wird auf mich hören, aber Festinus, der hiesige Statthalter, ist ein Freund des Prätorianerpräfekten. Dann kann Eutherios ihrer Erhabenen Majestät noch so viel erzählen: Modestus tut einfach alles mit einer Handbewegung ab. Der Kaiser hört nun einmal auf Modestus. Und alle Welt ist im Augenblick in erster Linie mit Persien beschäftigt. Kein Mensch interessiert sich dafür, was hier passiert; niemand will auch nur das geringste unternehmen. Das wird so weitergehen, bis sich die Terwingen erheben. Es sei denn, du kannst Lupicinus davon überzeugen, der ganzen Sache endlich einen Riegel vorzuschieben«, meinte er an Sebastianus gewandt.
»Ich werde es versuchen. Aber können wir die Terwingen heute abend nicht einmal vergessen? Ich werde morgen noch mehr als genug über sie und ihre Probleme sprechen müssen.«
Wir ließen uns am Tisch nieder, Daphne und Sebastianus auf einer Ruhebank, Athanaric und ich jeder für sich auf einer weiteren. Daphne gähnte, sie war von der langen Reise müde.
Sie lehnte ihren blonden Kopf an Sebastianus’ Schulter: Es war ein sehr hübsches Bild. Athanaric sah sie mißgelaunt an und fing noch während des ersten Ganges erneut an, über die Terwingen zu sprechen.
»Wird Theodoros das Getreide wirklich
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