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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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der am peinlichsten ausgefragt worden war, hatte man an Brust und Oberschenkeln mit einem Gerät gefoltert, das man Forke nennt, und er konnte nicht mehr aufrecht stehen. Vater mußte allesamt ins Bett schicken und seinen eigenen Arzt holen lassen, um sie zu pflegen.
    Während sich der Arzt um die anderen kümmerte (er widmete sich als erstes Philoxenos), tat ich mein möglichstes, um Maia ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Thorion und ich halfen ihr aus dem Wagen, und sie wankte durch das Haus bis in unser Zimmer, wobei wir sie beide stützten. Sie umarmte uns, als sie uns sah, zuckte jedoch zusammen, als wir sie unsererseits umarmten. Einige ihrer Sehnen waren auf der Folterbank gerissen, und ihre Schultergelenke waren geschwollen. Überall auf ihren Armen und quer über ihrer Brust waren die Spuren der Rute zu sehen und ein besonders langer und blutiger Hieb verlief quer über ihr Gesicht.
    »Das muß mit warmem Wasser ausgewaschen und dann mit weißem Wachspflaster verbunden werden«, sagte ich zu ihr. »Möchtest du vielleicht ein paar heiße Wundkompressen für deine armen Schultern?«
    Maia lächelte mich an und lehnte sich auf ihr Bett zurück.
    »Meine kleine Ärztin«, sagte sie. »Nun, diesmal macht es mir nichts aus, wenn du Hippokrates spielst. Ja, ich möchte gerne ein paar heiße Wundkompressen. Und später unbedingt ein Bad, aber im Augenblick… im Augenblick möchte ich mich am liebsten gar nicht bewegen.«
    Ich ging hinunter in die Küche und holte einige heiße Kompressen. Die Haussklaven wärmten bereits einen ganzen Haufen davon auf dem Ofen und machten sie für die gefolterten Sklaven fertig. Ich nahm mir drei Kompressen für Maia und wickelte sie in ein Tuch, um sie warmzuhalten. Sie bestanden aus einer Mixtur von Gerste mit etwas Essig und waren in kleine Lederbeutelchen eingenäht, so daß sie lange heiß blieben. Sie taten schmerzenden Gelenken außerordentlich gut. Ich legte je eine auf Maias Schultern und eine unter ihren Rücken. Zuvor wickelte ich sie in ein Kleidungsstück, damit sie ihr nicht zu heiß würden.
    »Das wird Festinus noch einmal bereuen«, sagte Thorion. Maia schnaubte verächtlich. »Du verschwendest nur deine Zeit, mein Lieber! Er ist es nicht wert, daß du dich mit ihm abgibst.« Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann fügte sie hinzu: »Und unser Herr Jesus Christus hat gesagt, wir sollen unseren Feinden vergeben und für jene beten, die uns Böses tun.«
    »Wie kannst du einem derart bösen Mann vergeben, der keine Spur von Reue zeigt? Es hat ihm Spaß gemacht, dies alles unserem Haus anzutun, es hat ihm Spaß gemacht, den Herrn zu erschrecken und die Sklaven zu foltern!«
    »Nun«, meinte Maia sachlich. »Als christlicher Edelmann solltest du zumindest nicht auf Rache sinnen. Es schickt sich nicht für dich, derart barbarische Ansichten zu äußern. Und Festinus ist ein Niemand, und er ist den Haß eines hochgeborenen Herrn gar nicht wert.«
    »Maia«, sagte ich, »ich liebe dich.« Nur sie konnte christliche Barmherzigkeit mit derart hochnäsiger Vornehmheit verbinden.

2
    Natürlich hatte Festinus nichts weiter entdeckt, als daß Vater ein leidenschaftlicher Anhänger von Pferderennen war und das purpurfarbene Tuch genau zu dem Zweck verwenden wollte, den er angegeben hatte. Die gefolterten Sklaven, sogar Philoxenos, waren innerhalb von drei Tagen alle wieder auf den Beinen. Nur das mehrmals vergewaltigte Hausmädchen hatte nach wie vor Angstträume und wachte mehrmals des Nachts laut schreiend auf. Schließlich schickte Vater sie auf eines seiner Landgüter, wo sie im Haushalt helfen sollte. Er hoffte, die Ruhe auf dem Lande werde ihren Nerven gut tun. Er ließ Johannes frei und sprach davon, Philoxenos ebenfalls freizulassen, aber er tat es doch nicht. Philoxenos war einfach zuviel wert. Wegen Vaters Begeisterung für Pferderennen war Philoxenos einer der wichtigeren Sklaven in unserem Haushalt. Als Sohn des Reitknechts meines Großvaters war er in die Familie hineingeboren worden und kommandierte sämtliche Stallburschen und Gärtner herum. Wenn man das Kind eines reichen Vaters ist, denken die Leute manchmal, man braucht nur mit den Fingern zu schnippen und auf etwas zu zeigen, was die Sklaven tun sollen, und schon tun sie es. Aber Sklaven haben ebensoviel Anteil an der Führung eines Hauses wie ihre Eigentümer, und ein kluger Gebieter muß sie verständig behandeln. Vater hätte Philoxenos gerne freigelassen, doch er glaubte, dafür nicht reich

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