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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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einlud, einschließlich Vater und Thorion. Jedermann hatte viel zu große Angst vor ihm, um die Einladung auszuschlagen. So legte Thorion seinen besten Umhang und seine schönste Tunika an, ließ Maia seine Haare bürsten und seinen Umhang glätten – sie sagte, er habe ihn mal wieder völlig zerknittert – und brach finsteren Blicks auf. Ich ging natürlich nicht mit. Ich war im späten Frühjahr sechzehn geworden, aber Mädchen gelten erst als erwachsen, wenn sie verheiratet sind, und gehen deshalb nicht auf Abendgesellschaften.
    Wenn Thorion finstere Blicke um sich geworfen hatte, als er an jenem Nachmittag aufbrach, dann sah er wie vom Donner gerührt aus, als er in der Nacht nach Hause kam. Ich hörte, wie er und Vater mit ihrem Gefolge ankamen, und rannte in den ersten Innenhof, um sie zu begrüßen. Vater sah ganz einfach erschöpft aus und zog sich sofort in sein Zimmer zurück. Thorion kam mit in mein Zimmer hinauf und erzählte Maia und mir alles über den Verlauf des Abends.
    »Er glaubt, er sei jetzt ein vornehmer Herr!« sagte Thorion bitter. »Ein Herr und Landbesitzer. Er sprach davon, sich in Ephesus niederzulassen, wenn seine Amtszeit zu Ende ist , und ein Bürger unserer Stadt zu werden!«
    »Dabei ist er doch nur ein Bauer«, rief Maia aus. Sie saß auf ihrem Stuhl in der Nähe des Fensters und spann. Es war dunkel, und wir zündeten die Lampen an: Das kleine Zimmer machte einen behaglichen Eindruck. Die weißen Wände glänzten in dem Licht der Lampen wie Gold, Maias Götterbilder lächelten gütig von der Wand, ihre Spindel surrte sanft. Von draußen kam das Zirpen der Grillen und das Rauschen der Bäume. Ich hatte mich gerade zum Schlafen zurechtgemacht, als Thorion heimkam, und saß nur mit meiner Tunika bekleidet und die Arme um die Knie geschlungen auf meinem Bett. Mein Umhang lag sorgfältig zusammengelegt auf der Kleidertruhe, da er am nächsten Morgen gereinigt werden sollte. (Er war weiß mit etwas grün und wies den unvermeidlichen purpurfarbenen Streifen auf. Warum müssen junge Mädchen unbedingt weiße Umhänge tragen? Es ist unmöglich, weiße Sachen sauber zu halten, und jetzt hatte ich auch noch einige Blutspritzer abbekommen, weil ich Philoxenos beim Kastrieren einiger junger Hengste zugesehen hatte.) Trotz des schlimmen Sommers hatte ich das Gefühl, daß zu Hause allmählich alles wieder seinen gewohnten Gang ging. Ich wollte nicht über Festinus nachdenken und äußerte mich deshalb nicht dazu – obwohl ich darauf hätte hinweisen können, daß es gerade uns nicht gut anstand, über einfache Bauern herzuziehen, die darauf aus sind, sich vornehme Häuser und Titel unter den Nagel zu reißen.
    »Er ist ein ganz gemeiner Dieb!« sagte Thorion. »Er trug einen Umhang mit einem purpurfarbenen Streifen, der so breit ist wie meine Hand« – er streckte seine große Bauernhand aus und spreizte die Finger –, »und das Tischtuch hatte ebenfalls einen Purpurstreifen. Es kam mir irgendwie bekannt vor, und mitten während des ersten Ganges merkte ich auch warum: Es war unser Purpur, für den wir dreißig Solidi bezahlt haben und den Festinus beschlagnahmt und niemals zurückgegeben hat!«
    »Dieser dreckige Räuber!« rief Maia erschrocken aus. »Hat er etwas dazu gesagt?«
    »Nein. Ich glaube, er hatte ihn ganz vergessen, er war viel zu beschäftigt damit, sich dauernd selbst zu beglückwünschen.« Thorion hielt inne, um Atem zu schöpfen, dann fuhr er in einem auffallend ruhigen Tonfall fort: »Und er sprach über dich, Charition.«
    »Über mich?« fragte ich, und jetzt war ich es, die erschrocken war. Thorion nickte und sah dabei finsterer aus als je zuvor. Maia gab einen mißbilligenden Ton von sich und sah mich unbehaglich an.
    »Er fragte Vater: ›Wie geht es deiner hübschen Tochter?‹« berichtete Thorion. »Und als Vater meinte, es ginge dir ausgezeichnet, erzählte Festinus aller Welt, du seiest ein sehr hübsches und äußerst bescheidenes Mädchen. Und er erzählte, als Vater unter Verdacht stand – einfach so: ›als der vorzügliche Theodoros unter Verdacht stand‹ –, hättest du den Kopf nicht verloren und auf Beweise für Vaters Unschuld aufmerksam gemacht, an die alle anderen in ihrer Aufregung nicht gedacht hatten. Und er fragte Vater nach deinem Namen. Er sagte, er hätte ihn vergessen.«
    »Der Name einer züchtigen Jungfrau geht ihn überhaupt nichts an!« rief Maia aufgebracht. »Für ihn reicht es völlig, sie als die Tochter des vorzüglichen Theodoros

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