Der Leuchtturm von Alexandria
genug zu sein. Er sagte immer, wir seien gar nicht so furchtbar reich, jedenfalls nicht nach den Maßstäben des Westreichs. Ihm gehörten kaum mehr als zweihundert Sklaven, und die meisten von ihnen lebten auf seinen Gütern und bearbeiteten das Land. Mehr als vierzig waren nie in unserem Stadthaus. Es hätte Vater eine Menge gekostet, einen so guten Stallmeister wie Philoxenos zu kaufen, falls es ihm überhaupt gelungen wäre, und er hätte sich zusätzlich verpflichtet gefühlt, Philoxenos zu einem guten Start im Geschäftsleben zu verhelfen. Philoxenos war ganz wild darauf, auf eigene Faust zu arbeiten: Er wollte gerne aufs Land ziehen und dort Pferde züchten und trainieren. Statt ihn freizulassen, schenkte Vater ihm schließlich eine Zuchtstute, um etwas zu diesem Gestüt beizusteuern. Ich glaube nicht, daß dies eine angemessene Entschädigung für die Folter war, die Philoxenos wegen der Eitelkeit seines Gebieters erlitten hatte, aber Philoxenos freute sich sehr darüber.
Vaters Wagenlenker, Daniel, war ebenfalls gefoltert worden, aber nicht allzu schlimm. Im nachhinein waren wir froh, daß es damals diese Aufregung wegen Zauberei in Ephesus gegeben hatte: Festinus’ Männer fanden in Daniels Haus keinerlei Beweise für Schwarze Magie. Ich war mir ziemlich sicher, daß Daniel seine Bücher und Schreibtafeln nur irgendwo anders gut versteckt hatte, doch er genoß die ungewohnte Rolle der mißhandelten Unschuld, und Vater mußte ihm einen Haufen Geld geben, um seine verletzten Gefühle zu besänftigen.
Wir waren noch einmal glimpflich davongekommen. Überall im Ostreich wurden Männer zum Tode verurteilt, nur weil sie von der Verschwörung gehört hatten, und nirgends waren es mehr als in Ephesus unter der Statthalterschaft von Festinus.
Der Philosoph Maximus, einst der vertrauteste Ratgeber von Kaiser Julian, wurde vor den Rennen in der Pferderennbahn enthauptet, weil er die Verse des Orakels über den Nachfolger von Valens kannte. Statt der Überraschungsprozession meines Vaters erlebten wir nun also die von Festinus veranstaltete Überraschungshinrichtung. Festinus ließ den armen Mann in die Mitte des weiten Rundes führen, dann erhob er sich auf seinem Ehrenplatz und hielt eine Ansprache über die Verruchtheit treuloser Männer. Maximus erhielt keine Chance, etwas zu entgegnen. Barhäuptig stand er in der heißen Sonne, trug lediglich eine braune Tunika und sah alt und elend aus. Die Stadt war stolz auf ihn gewesen, und alle waren entsetzt. Als Festinus seine Ansprache beendet hatte, warfen seine Leibwächter Maximus auf die Knie, und der Henker ließ sein Schwert herabsausen. Das Blut des Philosophen spritzte in weitem Umkreis über den Erdboden, und viele hielten dies für ein böses Omen.
Falls dem so war, dann erfüllte es sich nur allzu schnell. Den ganzen Sommer hindurch wurden Menschen angeklagt, vor Gericht gezerrt, gefoltert und aufgrund der fadenscheinigsten Beweise hingerichtet. Einem Kaufmann wurden wegen Unterschlagungen die Geschäftspapiere beschlagnahmt. Unter ihnen wurde ein Horoskop für einen Mann namens Valens entdeckt. Der Kaufmann sagte, dieser Valens sei sein Bruder, der vor mehreren Jahren gestorben sei. Er erbot sich, einen Beweis für diese Behauptung von dem Astrologen herbeizuschaffen, der das Horoskop gestellt hatte, und von Leuten, die seinen Bruder gekannt hatten. Doch es wurde ihm keinerlei Gelegenheit dazu gegeben, er wurde auf die Folterbank geschickt und dem Schwert des Henkers überantwortet. Es gab eine törichte alte Frau, die angeblich Fieberkranke mit einem Talisman heilen konnte (eine Methode, die, wie jeder Arzt weiß, wenig Erfolg verspricht): Sie wurde der Zauberei angeklagt und hingerichtet , nachdem sie mit Festinus’ Wissen einen seiner Sklaven behandelt hatte. Und dies waren nur ein paar Fälle von vielen.
Festinus wurde für seine Ergebenheit von unserem Erhabenen Gebieter, dem allerfrommsten Augustus, unserem Herrn Valens belohnt. Im Herbst wurde bekannt, daß seine Amtszeit für ein weiteres Jahr verlängert worden war. Außerdem wurden ihm einige kaiserliche Ländereien im Caystertal, die früher von einem seiner Opfer verwaltet worden waren, auf hundert Jahre zur Pacht überlassen. Solche Ländereien sind sehr beliebt, da keine Steuerlast auf ihnen liegt. Darüber hinaus war es hervorragendes Land: fruchtbar und eben.
Um seinen Zuwachs an Reichtum und Macht zu feiern, gab Festinus eine Gesellschaft, zu der er alle wichtigen Männer in Ephesus
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