Der Leuchtturm von Alexandria
schlugen ihre Schwerter gegen die Schilder und verlangten von den Römern, ihren König, wie sie Frithigern nannten, freizulassen. Frithigern wurde zu Lupicinus gebracht und behauptete, das Ganze sei ein Mißverständnis und sie könnten Blutvergießen vermeiden, wenn der Heerführer ihn und seinen Gefährten Alavivus ziehen ließe, um ihr Volk zu beruhigen. Lupicinus ließ sie hinausführen, vorbei an den Leichnamen ihrer dahingeschlachteten Gefährten. Sobald sie aus der Stadt hinaus waren, waren sie natürlich auf und davon. Sie begannen, die Umgebung von Marcianopolis zu verwüsten und Nahrungsmittel, Pferde, Kühe und was ihnen sonst noch in die Hände fiel, zu rauben.
Die nächste Nachricht war schlimmer und erreichte uns ein paar Tage später. Lupicinus und dem Heerführer Maximus war es gelungen, ihre Truppen zu sammeln und gegen die Goten zu führen – doch sie waren vernichtend geschlagen worden. Die meisten Legionen waren ganz einfach ausgelöscht, ebenso wie fast alle Offiziere, die auf Festinus’ Festbankett so großspurig über das Festungsbauwesen schwadroniert hatten. Die Standarten der römischen Legionen waren in die Hände der Barbaren gefallen. Ja schlimmer noch, die Goten hatten die Waffen der toten Römer an sich genommen und waren stärker als je zuvor. Es schien jetzt so gut wie sicher, daß auch die Greuthungen die Donau überquert hatten und daß Frithigern bereits ein Bündnis mit ihnen geschlossen hatte. Lupicinus war noch am Leben: Als er sah, daß die Armee verloren war, war er geflohen, hatte sich in Marcianopolis verschanzt und einen Boten losgeschickt, um Hilfe zu holen. Die Goten wurden jetzt nicht mehr von der Angst vor den Römern in Schach gehalten, die bisher immer auf ihnen gelastet hatte. In den gesamten südlichen Provinzen Thraziens griffen sie Städte und Landhäuser an, brandschatzten , plünderten und vergewaltigten. Sie töteten sämtliche Männer in waffenfähigem Alter und schleppten Frauen und ältere Kinder als Sklaven mit sich. Säuglinge und kleine Kinder, die zu jung waren, um weitere Strecken zu marschieren, wurden ihren Müttern entrissen und umgebracht. Beamte, ja sogar völlig unschuldige Ratsmitglieder wurden auf die Folter gespannt und getötet. Einer von Lupicinus’ Offizieren wurde gefangengenommen: Die Goten peitschten ihn aus, folterten und blendeten ihn und rissen ihn zum Schluß buchstäblich in Stücke.
Doch römische Anmaßung, die eigentliche Ursache des Krieges, dauerte an und schadete dem römischen Staat weiterhin. Ein Brief des Kaisers höchstpersönlich traf in Hadrianopolis ein, den dort stationierten – und mit den Römern verbündeten – gotischen Truppen wurde befohlen, Thrazien zu verlassen und sofort nach Asien zum Hellespont zu ziehen. Diese Truppen wurden von Athanarics Vater befehligt und befanden sich gerade in ihren Winterquartieren. Sie hatten ihre Waffen bereits abgelegt, und als der Ärger begann, hatte der Stadtrat sie weggeschlossen. Die gotischen Befehlshaber wollten eigentlich nicht in den Krieg verwickelt werden und baten lediglich um zwei Tage Frist, um sich auf den Marsch vorbereiten zu können. Außerdem baten sie um Lebensmittel und Reisegeld. Der Magistrat der Stadt gab ihnen kein Reisegeld, und auch der Kaiser schickte keines. Da das Landhaus des Ratsherrn von Frithigerns Leuten geplündert worden war, war er nicht gut auf die Goten zu sprechen. Er bewaffnete die Bürger und richtete den Goten aus, falls sie die Stadt nicht unverzüglich verließen, würde er sie allesamt töten lassen. Die gotischen Anführer versuchten, an seine Vernunft zu appellieren. Die Bevölkerung johlte und bewarf sie mit Steinen. Schließlich rebellierten die Goten ganz offen, töteten eine große Anzahl von Bürgern, besorgten sich Waffen – in Hadrianopolis gibt es eine Fertigungsanlage für Kriegsmaterial – und verließen die Stadt. Sie vereinigten sich mit Frithigerns Streitkräften, und bald wurde Hadrianopolis von einer riesigen und gutbewaffneten gotischen Armee belagert.
Sebastianus war noch vor Beginn der Rebellion nach Skythien zurückgekehrt. Die Truppen waren in Alarmbereitschaft versetzt worden, und es wurden Vorbereitungen getroffen, sie mit anderen kaiserlichen Streitkräften zu vereinigen – doch dann passierte gar nichts. Sebastianus hatte nicht genug Soldaten, um dieser riesigen gotischen Armee auf eigene Faust entgegenzutreten. Er sandte Botschaften an den Kaiser – schickte sie, um sicher zu gehen, per Schiff
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