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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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ihrem Volk zurück. Dann verrieten sie ihren Landsleuten, wo sie die prächtigsten Häuser und das fetteste Vieh finden konnten. Die Goten häuften ihre Beute rascher auf als die meisten bestechlichen Statthalter ihre Bestechungsgelder. Sie plünderten die Goldminen im Süden, sie plünderten die Landgüter, sie plünderten Städte und Landhäuser. Sie schleppten alle römischen Besitztümer fort, die sie schon immer geschätzt hatten – schöne Töpferwaren, Schmiedearbeiten, Silber und Glas; kostbare, aus anderen Ländern importierte Gewänder aus Leinen, Seide und Wolle; Möbel mit Einlegearbeiten; Gemälde und Wandteppiche; Bücher, die sie gar nicht lesen konnten. Und sie nahmen sich römische Sklaven. Männer, die noch vor ein paar Monaten selbst Sklaven gewesen waren, verschleppten die Frauen und Kinder ihrer früheren Herren, und die römischen Soldaten konnten nur wenig tun, um ihnen Einhalt zu gebieten. Sebastianus stellte einen Trupp Soldaten zusammen, um selbst Streifzüge ins Land zu unternehmen und zu versuchen, einige der gotischen Soldaten auf ihren Expeditionen zu ergreifen und zu bestrafen, doch er hatte nicht genug Männer, um damit viel zu erreichen.
    Der größte Teil der skythischen Bevölkerung strömte in die befestigten Städte, vor allem nach Tomis und Histria, in einem geringeren Ausmaß aber auch in die Armeelager wie Novidunum. Dank Thorions gehorteter Getreidevorräte gab es in den Städten für jedermann genug zu essen; trotzdem richtete Thorion rasch ein Rationierungssystem ein. Genaues wußten wir allerdings nicht, denn die Verbindungen zur Außenwelt waren unterbrochen. Wegen der Goten war es nicht immer sicher, Botschaften über Land zu schicken, die Donau war inzwischen zugefroren, und mitten im Winter hatte kein Kapitän den Mut, es mit dem Schwarzen Meer aufzunehmen. Wann immer Soldaten längs des Ufers flußaufwärts oder flußabwärts ritten, wurden sie von Kurieren begleitet. Trotzdem konnte man viele Wochen lang meinen, Novidunum sei die einzige Stadt auf der Welt, ganz allein inmitten des Schnees auf dem Steilufer thronend. Gelegentlich kam ein Trupp Soldaten flußabwärts geritten und lud hastig ein paar Verwundete im Hospital ab, doch vom Meer her kam vom Dezember bis zum Frühjahr niemand.
    Trotz der im Lager herrschenden Ruhe waren wir im Hospital ziemlich beschäftigt. Neben den Verwundeten unserer eigenen Legion mußten wir Versprengte aus Mösien, die desertiert oder vor den Goten geflohen waren, versorgen; dazu kamen noch kranke oder verletzte Bauern, die sich nach Novidunum geflüchtet hatten. Ich machte mir Sorgen wegen unserer Vorräte an Arzneimitteln, stritt mich mit Valerius um Geld für zusätzliche Vorräte, setzte ihm zu, mir noch ein paar weitere Pfleger zu genehmigen, und stritt mich anschließend mit ihnen herum.
    Arbetio setzte sich auf eine geradezu bewundernswerte Weise ein und war dabei stets bester Laune. Ich war in das neue, größere Haus umgezogen und hatte ihm das alte überlassen. Er hatte sich fünfzehn Solidi geliehen und seine Freundin freigekauft, um mit ihr zusammenleben zu können. Sie war eine kleine, pummelige junge Frau namens Irene, eine von Valerius’ Köchinnen, und Arbetio war offensichtlich schon seit Jahren in sie verliebt. Nachdem er sie freigelassen hatte, ließen sie sich als Mann und Frau nieder, und alle beide waren außer sich vor Glück.
    Ende Februar schickte Sebastianus mir einen Brief und bat mich, flußaufwärts in das Lager Ad Salices, »zu den Weiden«, in der Nähe der mösischen Grenze zu kommen. Einer seiner Trupps, die einen Ausfall gewagt hatten, war von den Goten aufgerieben worden, und es war einfacher, mich zur Behandlung der Verwundeten dorthin zu bringen, als sie alle ins Hospital nach Novidunum hinunterzuschicken. Ich packte einen ordentlichen Vorrat an Heilmitteln zusammen und machte mich mit einer Begleitmannschaft von zwölf Reitern auf den Weg. In der Woche zuvor hatte es getaut, inzwischen war jedoch alles wieder gefroren. Als wir das Lagertor passierten, schneite es heftig, das Tauwetter hatte jedoch eine Eisschicht auf dem darunterliegenden Schnee verursacht, die in die Beine der Pferde schnitt. Plötzlich fiel das Pferd eines Soldaten der Begleitmannschaft auf ihn, so daß er sich das Schlüsselbein brach. Ich mußte ihn behandeln und nach Novidunum zurückschicken. Zu allem Unglück hatte nach unserem Aufbruch auch noch meine Regel eingesetzt, und es war eine heikle Angelegenheit, diese Tatsache

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