Der Leuchtturm von Alexandria
Amida und Ephesus, ein Eunuch und Student der Heilkunst!
»Besser könnte es gar nicht sein«, sagte ich.
»Man erkennt dich überhaupt nicht mehr«, stöhnte Thorion.
»Ich bringe diesen Festinus um.«
»Er wird wahrscheinlich an Schlagfluß sterben«, meinte ich.
»Er ist cholerisch veranlagt und trinkt zuviel.« Ich lächelte Thorion zu. »Es wird schon schief gehen.«
Maia schüttelte den Kopf. Sorgfältig sammelte sie meine verstreut herumliegenden Kleider auf – die lange weißgelbe Tunika und den langen, weißgrünen Umhang mit seinem purpurfarbenen Streifen. Sie faltete die beiden Gewänder zusammen und legte sie in die kleine Kleidertruhe. »Sie ist aus Sandelholz«, sagte sie. »Sie ist sicherlich noch hier, wenn du zurückkommst.« Sie hob eine meiner Haarlocken auf, strich sie glatt, dann legte sie sie auf die Kleider. Thorion schob die Truhe in den hinteren Felsspalt zurück und häufte ein paar Steine davor auf, so daß nichts von ihr zu sehen war.
»Laßt uns für deine baldige Rückkehr beten«, sagte Maia. Wir ergriffen uns an den Händen und standen eingezwängt in der Höhle. Maia betete. Mein Kopf fühlte sich leicht und leer an, und ihre Worte bedeuteten mir nichts. Eine baldige Rückkehr? Hoffentlich nicht allzu bald. Ich hieß von nun an Chariton, und Chariton, das spürte ich, hatte ein interessanteres Leben vor sich als Charis.
Wir traten wieder an das Licht der Sonne hinaus und gingen auf die andere Seite des Hügels. Ephesus lag zu unseren Füßen. Die grüne Kuppel unseres Festsaales ragte ganz in der Nähe aus dem Meer der Dächer heraus, zu unserer Linken konnte man die rote Erde der Pferderennbahn erkennen. Rechts unter uns war das Theater zu sehen, davor die weißgepflasterte Hafenstraße, die von ihm zum Meer hinunterführte. Sie war von den farbigen Vorhängen der Läden gesäumt.
Im Hafenbecken hatten einige Schiffe festgemacht, und wir konnten das geschäftige Treiben dort unten auf einem der Segelschiffe beobachten. Es war ein großes Schiff mit orangefarbenen und gelben Segeln. Von dieser Höhe aus sah das Wasser des Hafens braun und schmutzig aus, aber dahinter leuchtete hell das offene Meer und löste sich weit draußen im gleißenden Sonnenlicht auf.
»Also«, sagte Thorion und schluckte. »Leb wohl.«
»Leb wohl.« Ich umarmte zuerst ihn, dann Maia. »Ich schreibe euch. Ich werde zwar ein bißchen warten müssen, aber ich werde euch schreiben, wenn ihr in Konstantinopel seid.«
Sie umarmten mich ihrerseits, wobei Maia mich nur widerwillig losließ. Dann begann ich, mit festen Schritten den Hügel hinunterzugehen. Ich würde durch das Haupttor gehen und dann zum Hafen hinunter. Thorion und Maia würden durch die Pforte zurückgehen, und sie würden versuchen, den Anschein zu erwecken, als seien sie den ganzen Nachmittag über zu Hause gewesen.
Ich ging etwa hundert Schritte, dann blickte ich mich um, aber sie hatten sich bereits auf den Weg gemacht, und ich sah sie nur noch von hinten, wie sie langsam nach Hause wanderten. Ich warf einen Blick auf das Schiff mit den orangefarbenen Segeln im Hafen. »… unten im Hafen warten die griechischen Schiffe«, dachte ich. Aber nein, das gehörte nicht hierher. Ich wollte mich lieber an einen anderen Chor aus einem anderen Stück erinnern:
… auf den weiten Wogen , Drehen die Falleinen die Segel dem Wind entgegen, Und der Bug des schnellen Schiffes schießt herum. Blitzschnell wie ein Kurier werde ich dort sein , Wo der Strahl der Sonne die Welt in Flammen setzt.
Denn ich ging nicht der Sklaverei entgegen, sondern der Freiheit.
Zweiter Teil
ALEXANDRIA
1
Die Halcyon erreichte Alexandria am ersten Mai. Wir hatten eine ruhige Reise, segelten über Zypern, legten jedoch sonst nirgends an, bis wir das Leuchtfeuer des Pharos vor uns erblickten. Der Schiffsherr segelte die ganze Nacht hindurch und hielt direkt auf das Signalfeuer des Leuchtturms zu. Da ich viel zu aufgeregt war, um zu schlafen, blieb ich ebenfalls auf. Am Morgen, als das Feuer gelöscht wurde, sahen wir, wie der Rauch dick und schwarz emporstieg. Der Turm selbst stand weiß und mächtig auf einem vorgelagerten Felsen. Er war mit Bronzestatuen von Seegöttern und Delphinen geschmückt. Die Spiegel auf seiner obersten Spitze glitzerten im Licht der Morgensonne. Hinter ihm, dort wo die blau schimmernde See zu Ende war, lag ein heilloses Durcheinander von Dächern mit roten Ziegeln, Kuppeln und Gärten: eine Stadt von überwältigender Größe, die von
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