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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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dunklen Straßen des Rhakotisviertels, zwischen den schäbigen Häusern mit ihren schmalen Vorderfronten, überragt von den zwei Kirchen, der kleinen, alten des Theonas und der neuen, großen des populären Erzbischofs Athanasios. Ich fand den Bankier, den der Schiffsherr mir empfohlen hatte, und hinterlegte meinen Schmuck bei ihm. Dann zog ich los und machte mich auf die Suche nach den Gelehrten beim Tempel der Serapis. Ein breiter Kanal verbindet den Hafen mit dem Mareotis-See, und ich verfolgte seinen Lauf bis zur Via Canopica, wobei ich den Rat des Schiffsherrn beherzigte und die rückwärtigen Straßen vermied. Die Leute sahen fremdartig aus – dunkelhäutiger als die Leute in Asien. »Honigfarben«, wie der Zensus sie immer nennt. Viele sprachen eine mir fremde Sprache, nicht griechisch, sondern koptisch, wie ich vermutete. Das waren also die Ägypter, die keine Fremden mochten. Sie kamen mir selbst sehr fremd vor.
    Die Via Canopica sah schon eher so aus, wie ich mir Alexandria vorgestellt hatte: eine große Straße, breit genug für vier nebeneinanderfahrende Kutschen. Zusätzlich wimmelte sie von unzähligen Menschen, hochbeladenen Eseln und Kamelen und von Katzen – Tieren, die außerhalb Ägyptens sehr selten sind, dort aber sehr verbreitet. Auf beiden Seiten der Straße zog sich ein doppelter Säulengang mit Läden hin, den die Alexandriner Tetrapylon nennen. Straßenhändler boten kandierte Zitronen, Datteln, frisches und noch warmes Kümmelbrot, Würstchen und Sesamkuchen feil. Ich kam an Läden vorbei, die Weine aus allen Gegenden des Kaiserreichs verkauften, Tuch aus Wolle und Leinen sowie Garne, die ungewöhnlich grell gefärbt waren. Es wurden Amulette verkauft, Bücher, Stundengläser, Gold aus Nubien und Perlen aus Britannien, geschnitzte Möbel und Terakottabilder von vielen hundert verschiedenen Göttern. Bettler baten um Almosen. Ich kam an einem jungen Eunuchen vorbei, der einen phrygischen Hut aufhatte und der hinter einer bronzenen Bettlerschale saß und mit schriller Stimme eine Hymne zu Ehren der Göttin Kybele sang. Er starrte mich an , dann wandte er den Blick gleichgültig ab. Ein hochgewachsener, bärtiger Mann in einem schwarzen Umhang stand an einer Mauer und erläuterte ein paar aufmerksamen Schülern die philosophische Lehre der Stoiker. Auf der anderen Straßenseite predigte ein langhaariger Bauer in einer grobgewebten Tunika ein eigenartiges Sammelsurium gnostischer Anschauungen: »Die Welt ist vom Teufel geschaffen!« schrie er (er mußte schreien, um sich überhaupt Gehör zu verschaffen). Die Leute schrien alle, wie sie da feilschten, sangen, fluchten und sich gegenseitig anrempelten. Ich kam an einem Laden voller Vögel vorbei, die in Käfige gesperrt waren und wie ein Chor von Bacchantinnen sangen. Es gab ein großes Mischmasch von Gerüchen: Honig, Kot, ungewaschene Menschen, Duftwässer, Abwässer, frisches Brot, Gewürze. Es war ein einziges Durcheinander von Geräuschen und Farben und tosendem Leben, und es betäubte mich.
    Trotzdem, selbst als Fremder konnte ich erkennen, daß die Stadt nicht mehr das war, was sie einmal so berühmt gemacht hatte. Als ich zum Hauptplatz Alexandrias kam, dort wo die Via Canopica die andere große Durchgangsstraße, die Via Soma, kreuzt, erblickte ich die ersten von vielen Ruinen. Das Mausoleum des großen Alexander, des Sohnes von Philipp von Mazedonien, des Mannes, der die Welt eroberte: ein Ring zerborstener Säulen und ein paar Mauerruinen. Der einbalsamierte Körper war verschwunden und desgleichen natürlich auch der goldene Sarg sowie der Schatz, der um ihn herum aufgebaut worden war. Nun ja, das Imperium, das er gegründet hatte, war längst zerfallen, bevor sein Grab zerstört wurde, deshalb kann er sich wohl nicht beklagen. Ich bog nach rechts in die Via Soma ein und stieg zum Tempel des Serapis hinauf, wo nach wie vor die Überreste aus der Bibliothek und dem Museum aufbewahrt wurden. Der Tempel steht auf einem künstlichen Hügel im südwestlichen Teil der Stadt, in der Nähe des Stadions. Es war nicht schwierig, ihn zu finden: Sobald ich die Via Soma verließ, erblickte ich ihn. Er schien über den Dächern der umliegenden Häuser zu schweben. Die vergoldete Säule, die ich vom Schiff aus gesehen hatte, gehörte zu ihm. Dort, wo man von der Via Soma abbiegen mußte, war eine weiße Marmorplatte mit dem eingravierten Bild des Gottes in die Straße eingelassen worden. Ich folgte diesem heiligen Weg bis zum Tempel: Er wand sich

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