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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Mauern und Toren umgeben war. Von einem Hügel im Zentrum der Stadt funkelte es, dort wo sich das Licht in einem vergoldeten Bauwerk verfangen hatte. Es sah so aus, als sei es der Riegel einer Schatzkiste.
    Alexandria hat zwei Häfen, die durch den Felsen des Pharos voneinander getrennt sind: den Osthafen, auch der Große Hafen genannt, und den Hafen, den man Eunostos nennt: »Zur glücklichen Wiederkehr«. Als wir uns der Stadt näherten, erwartete ich, daß wir in den Großen Hafen einlaufen würden, der vom Pharos und einem kleineren Leuchtturm begrenzt wurde und von prachtvollen steinernen Festungsanlagen, Palästen und Gärten gesäumt war. Doch statt dessen drehte das Schiff nach Steuerbord in Richtung auf den Eunostos-Hafen ab. Dieser war längst nicht so eindrucksvoll: die ihn umgebenden Gebäude waren größtenteils Lagerhäuser und Werftanlagen; Fischerboote lagen auf dem Ufer, sie stanken nach Abfall und den Innereien der Fische. Hinter den Hafenanlagen sah man Straßen mit schmalbrüstigen, ziemlich hohen Häusern, die samt und sonders aus schmutziggrauen Ziegeln errichtet waren. Später erfuhr ich, daß alle Handelsschiffe diesen Hafen anliefen; der Große Hafen war dem Präfekten und seinem Gefolge vorbehalten.
    Während die Halcyon darauf wartete, anlegen zu können, fragte ich den Schiffsherrn, wo sich das Museum befände, und er lachte. »Drei Fuß unter der Erde«, erzählte er. »Es ist während früherer Kriege und Aufstände zerstört worden. Niemand hat es je wieder aufgebaut.« Ich erfuhr später, daß es im Broucheionviertel gelegen hatte, das früher einmal der vornehmste Teil der Stadt gewesen war: In ihm lagen die kaiserlichen Paläste, einige der Tempel, das Museum und die Bibliothek. Das alles war jetzt zerstört. Die Ruinen waren von Weidenröschen und Beerenklau überwuchert, und Kinder jagten Ratten über die zerborstenen Steinblöcke. Was von der Bibliothek übriggeblieben war, befand sich jetzt im Tempel der Serapis im Rhakotisviertel, das an den Eunostoshafen grenzte. Die Stadtmauer war nach den Kriegen wiederaufgebaut worden, und zwar rund um eine kleinere Stadt herum. Das Deltaviertel, das früher eine jüdische Stadt innerhalb der Stadt gewesen war, war völlig verschwunden. Die einzigen neuen Gebäude waren Kirchen.
    Nachdem die Halcyon festgemacht hatte, gab mir der Schiffsherr einige Ratschläge. »Hinterlege deine Wertsachen bei einer Bank«, sagte er. »Isidoros, der Sohn des Heron, ist vertrauenswürdig und wird nicht allzu sehr auf seinen Gewinn schauen. Du findest ihn beim zweiten Lagerhaus zu deiner Linken, sobald du den Hafen hinter dir läßt. Die Stadt ist voller Taschendiebe und Räuber, deshalb solltest du niemals viel Geld mit dir herumtragen. Halte dich von den kleinen Gassen auf der Rückseite der Häuser fern, vor allem im Rhakotisviertel. Die Ägypter mögen keine Fremden, vor allem keine Eunuchen. Welcher Religion hängst du an? Ja, ich weiß, du hast erzählt, daß du ein Christ bist; aber bist du Arianer, oder ziehst du den nizäischen Glauben vor?«
    Ich antwortete, ich sei weder Arianer noch Nizäer. Ich kannte mich in religiösen Fragen kaum aus und wußte nur, daß der Streit etwas mit dem Wesen Christi zu tun hat. Die Arianer sagen, Jesus Christus stamme von Gottvater ab, während die Nizäer behaupten, er sei »wesensgleich« mit Gottvater, ein Ausdruck, den die übrigen Christen ablehnen. Der arianische Glaube wird von den Kaisern begünstigt, nicht jedoch von den Bischöfen, die ihn auf keiner ihrer Synoden jemals akzeptiert haben. Großvater hielt nicht viel davon.
    »Nun gut, dann solltest du sagen, daß du Nizäer bist«, sagte der Schiffsherr der Halcyon. »Es macht sich hier besser, wenn du ein Manichäer und kein Arianer bist. Die Leute hängen ihrem Erzbischof mit einer fanatischen Liebe an. Er ist eingefleischter Nizäer und aus diesem Grund bereits fünfmal verbannt worden. Die Arianer sind nicht beliebt. Halte dich aus den öffentlichen Bädern fern: Hübsche Jungen sind in dieser Stadt nirgends sicher.«
    »Ich bin älter als ich aussehe«, protestierte ich.
    »Das mag ja sein, aber bei diesen Päderasten zählt allein das Aussehen! Für einen Eunuchen scheinst du mir ein sympathischer junger Mann zu sein. Es täte mir leid, wenn ich hören müßte, daß dir etwas zugestoßen ist. Viel Glück, und paß auf dich auf!«
    Die Stadt war ganz anders, als ich erwartet hatte. Nachdem ich von Bord gegangen war, wanderte ich durch die engen,

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