Der Leuchtturm von Alexandria
geschnitzt bist, das man für einen Arzt benötigt. Du solltest wissen, daß man in diesem Beruf kein Leben in Luxus und Muße führen kann. Ich bin eigentlich der Meinung, daß ein, hm, Eunuche besser in der Verwaltung aufgehoben wäre.«
»Ich habe nichts gegen schwere Arbeit einzuwenden«, erwiderte ich. »Und ich möchte die Heilkunst sehr gerne erlernen. Ich habe auch Geld, um meine Unterrichtsstunden bezahlen zu können.«
»Nu-un…«, sagte Adamantios. Er blätterte die Briefe durch und gab sie mir schließlich zurück. »Du hast natürlich das Recht, es bei allen dem Museum angeschlossenen Ärzten zu versuchen. Du brauchst jemanden, der dich als Assistent aufnimmt. Dann kannst du alle Vorlesungen besuchen, vorausgesetzt natürlich, du bezahlst den Dozenten eine Gebühr. Es ist aber an dir, einen Lehrmeister zu finden.«
»Ich dachte, vielleicht könnte Eure Klugheit… das heißt, ich dachte, du wüßtest eventuell jemanden, der einen Assistenten braucht.«
»Oh.« Er betrachtete mich einen Augenblick lang, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, ich weiß niemanden. Du vielleicht, Timias?« fragte er und wandte sich an einen seiner Begleiter.
Dieser lachte. »Jedenfalls nicht so einen Assistenten!«
Adamantios lächelte überheblich. »Nein, ich kenne keinen. Du hast natürlich das Recht, dich umzuhören. Gibt es sonst noch etwas?«
Für die erste Woche meines Aufenthaltes in der Stadt mietete ich mich in einem von Flöhen heimgesuchten Quartier in der Nähe des Schiffskanals ein und klopfte an etliche Türen in der Nähe des Serapistempels. Mühsam schleppte ich mich von der einen zur nächsten Tür, wurde aber immer nur ausgelacht. Die von Thorion und mir so sorgfältig vorbereiteten Empfehlungsbriefe erwiesen sich als wertlos. Niemand traute mir: Entweder würde ich aller Voraussicht nach nicht hart genug arbeiten, oder ich war höchstwahrscheinlich unzuverlässig und dazu noch ein entwichener Sklave. Mein Plan, der in Ephesus so gut geschienen hatte, sah in Alexandria unausgegoren und undurchführbar aus. Ich war auf all die abschlägigen Antworten, das höhnische Grinsen, die Verachtung und den offenen Haß, die mir entgegenschlugen, nicht vorbereitet und fühlte mich ziemlich elend.
Zudem geriet ich mehrfach in den Verdacht, eigentlich nur nach einem männlichen Gönner Ausschau zu halten, da Eunuchen Menschen sind, die Müßiggang und Luxus lieben. Ich habe vergessen, wie oft man sich mir mit Geldangeboten näherte, wie vielen tatschenden Händen ich mich entziehen mußte. Ich war immer noch viel zu unerfahren, als daß mir derlei Annäherungsversuche nichts ausgemacht hätten, obwohl es nicht ganz so schlimm war wie mit Festinus. Gut, daß diese Leute nicht wußten, wer ich in Wirklichkeit war. Wenn ihr Gefummel Erfolg gehabt hätte, wären sie ganz schön überrascht gewesen! Doch niemand schien den Verdacht zu hegen, ich könne nicht der sein, der ich vorgab. Anfangs war ich nervös und rechnete dauernd damit, entdeckt zu werden, doch schließlich gewöhnte ich mich an die Situation. Die Menschen verlassen sich ganz auf das äußere Erscheinungsbild ihres Gegenübers, auf all die äußeren Hinweise auf Geschlecht und Rang, die man ihnen mit seiner Kleidung gibt. Die Mühe mit dem Schnürleibchen hätte ich mir fast sparen können. Die kurzen Haare und eine kurze Tunika genügten vollkommen. Die Leute sahen mich an und mutmaßten sofort: »Ein weibischer Junge – ein Eunuch?« und nicht etwa: »Ein verkleidetes Mädchen!« Ich war natürlich stets auf der Hut, mich nicht zu verraten. Es war überraschend einfach gewesen, die Angewohnheiten eines jungen Mädchens aus gutem Hause abzulegen, aber mit anderen Dingen hatte ich immer noch endlose Schwierigkeiten. Es war nicht leicht, mir dauernd in Erinnerung zu rufen, daß ich ein Mann war; zu versuchen, mich selbst anzuziehen und auch wirklich alles richtig zu machen; in einer fremden, großen Stadt zu Fuß umherzulaufen, wenn ich zuvor immer eine Sänfte oder einen Wagen zur Verfügung gehabt hatte. Meine Füße taten mir weh. Außerdem konnte ich mich nicht ordentlich waschen: In dem Gasthaus gab es keinen Ort, wo ich ungestört war. Ich lebte von billigen Brotfladen, die ich von Straßenhändlern kaufte. Ich war sehr knapp bei Kasse, da ich noch keine Möglichkeit gehabt hatte, etwas von meinem Schmuck zu verkaufen. Der Bankherr wollte ihn mir nicht eintauschen. Deshalb nahm ich ihn mit in einen teuren Laden an der Via Canopica, aber der
Weitere Kostenlose Bücher