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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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bei dir?« wollte mein Gegenüber wissen. »Hat es sehr weh getan?«
    Ich fühlte mich von neuem bloßgestellt und war plötzlich ganz nüchtern. »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern«, erwiderte ich nach einer verlegenen Pause. »Ich war noch sehr jung damals.«
    Der Fragesteller schlug den Blick zu Boden. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich war ganz einfach neugierig.« Ich wußte, daß er an all die unerfreulichen Dinge dachte, die er jemals über Eunuchen gehört hatte.
    »Du bist in Ephesus aufgewachsen, nicht wahr«, fragte einer der anderen in das unbehagliche Schweigen hinein. Es hätte eine beiläufige Frage sein können, aber irgendwie klang sie eindringlich, mißtrauisch. »Warum bist du nach Alexandria gekommen?«
    Doch ein alexandrinischer Heide namens Nikias mischte sich ein, bevor ich antworten mußte. »Du hättest ihn gar nicht zu fragen brauchen, ob er aus Asien ist«, sagte er mit einer übertrieben wirkenden Unbekümmertheit. Er war einer von denen, die bei meinem Hereinkommen einen abweisenden Eindruck gemacht hatten. Jetzt beobachtete er mich mit einem boshaften Grinsen auf seinem feisten Gesicht. »Ein perfekteres asiatisches Lispeln habe ich noch nie in meinem Leben gehört. ›Hippokratess ssagt, daß‹ – nein, ich kann es nicht.«
    Allem Anschein nach waren seine Worte ein harmloser Scherz, aber ich konnte den Unterton von Abneigung spüren, so wie ich in der vorhergehenden Frage das Mißtrauen gespürt hatte. Ich errötete und wurde allmählich ärgerlich. Schließlich war ich in die Taverne eingeladen worden und war ein ebenso guter Student wie sie. Niemand hatte das Recht dazu, mir peinliche Fragen zu stellen und sich über mich lustig zu machen. Ich blickte in die vom Licht der Lampen erhellten Gesichter rings um mich her. Sie beobachteten mich, um zu sehen, wie ich reagieren würde. Theogenes sah immer noch verlegen aus, als habe er allein den Anstand, sich der schlechten Manieren seiner Freunde zu schämen. Das besänftigte meinen Ärger und nötigte mir ein Lächeln ab.
    »Du hast also noch nie einen so schlimmen Akzent gehört?« fragte ich. »Du bist hoffentlich nie in Ephesus gewesen. Du solltest mal einige von meiner Fa… von den Freunden meines Wohltäters sprechen hören. ›Mein lieber und höchsst gessätzter Nikias, die Sstute, die du ssoeben erwähnt hast, ist eine ssolche Perle. Ich würde ssie ssofort an einem Wettrennen teilnehmen lassen, doch zßufällig ist ssie gerade jetzt trächtig. Wirklich, mein lieber Freund, ich habe keine Ahnung, wie ssie das gessafft hat!‹« Es war genau der Tonfall, über den Thorion und ich uns seit unserer Kindheit immer lustig gemacht hatten. In Wirklichkeit sprach der alte Pythion so, aber man mußte ihn nicht kennen, um den lispelnden Akzent komisch zu finden. Die Spannung wich, und die anderen Studenten brüllten vor Lachen.
    »Bei meiner Seele, das ist gut«, sagte Theogenes. »Dein Wohltäter hat also Pferderennen veranstaltet?«
    »In Ephesus nannten sie ihn ›Meister der Pferderennens Vielleicht habt ihr von ihm gehört – es ist der höchst vortreffliche Theodoros.«
    Theogenes schüttelte den Kopf. Doch einer der anderen, ein Sidonier, rief sofort, er habe eines der Pferde des Theodoros bei einem Rennen in Tyrus siegen sehen, und die ganze Unterhaltung wechselte auf das Thema Wagenrennen und auf die beliebtesten Wagenlenker der hiesigen Pferderennbahn über. Als die Gesellschaft aufbrach und nach Hause ging, wünschten mir die anderen mit der Herzlichkeit alter Freunde gute Gesundheit. Ich antwortete im gleichen Tonfall. Im großen und ganzen hatte ich den Abend genossen, und ich spürte, daß ich eine schwierige Prüfung bestanden hatte. Aber ich schwor mir, den anderen gegenüber vorsichtiger zu sein und in ihrer Gesellschaft niemals zuviel zu trinken. Ich würde meine fünf Sinne benötigen, wenn ich mit ihnen zusammen war.

3
    Ich zögerte den Brief an Thorion noch einen weiteren Monat hinaus. Aber als es September wurde, wußte ich, daß ich schreiben mußte, und zwar vor Einbruch des Winters, um ihn und Maia wissen zu lassen, daß ich in Sicherheit war. Später war es nicht mehr möglich, Briefe abzuschicken. Außerdem war ich mir sicher, daß Thorion inzwischen in Konstantinopel sein würde. So setzte ich mich an einem klaren, warmen Spätsommerabend in mein Zimmer, nahm ein Stück Papyrus und einige Federn in die Hand und schrieb auf die Vorderseite: »Chariton von Ephesus an seinen Wohltäter Theodoros, Sohn des

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