Der Leuchtturm von Alexandria
Theodoros von Ephesus. Mit vielen Grüßen.«
Dann saß ich da und starrte minutenlang auf den Papyrus. Durch das Fenster konnte ich sehen, wie meine Nachbarin ihr Zimmer ausfegte. Sie winkte mir zu, und ich winkte zurück. Ich mußte vorsichtig sein mit dem, was ich schrieb. Ich würde den Brief einem Kornschiff mitgeben, und Seeleute waren dafür bekannt, die ihnen anvertraute Korrespondenz zu öffnen, um sich während ihrer langen Reise an ihr zu ergötzen. Ich kaute auf dem Ende meines Federkiels herum. Maia hatte diese Angewohnheit immer mißbilligt. »Du bekommst bei Tisch schließlich genug zu essen!« pflegte sie zu sagen. »Du hast es nicht nötig, wie eine Maus an Schilfrohrfedern zu nagen.«
Die Erinnerung daran ließ mich lächeln. Liebe, ehrliche Maia, die sich solche Gedanken machte! Lieber Thorion, der du vor lauter Sorgen so finster dreinschaust! Rasch schrieb ich den Brief.
Vortrefflicher, ich wollte dir schon früher schreiben, aber ich wußte nicht, ob du schon in Konstantinopel sein würdest. Ich hoffe, es geht dir gut, und ich hoffe vor allem, daß dir nicht irgendwelche lästigen Menschen mit ihrer Feindseligkeit Ärger bereitet haben. Was mich anbetrifft, so bin ich hier in Alexandria sehr glücklich und kann mir keine größere Befriedigung vorstellen, als so zu leben, wie ich jetzt lebe. Die Ärzte des Museums halten viel von mir und sagen, daß ich große Fortschritte in meinem Studium mache. Ich bin Assistent eines gewissen Philon, eines Juden, der mit dem Museum in Verbindung steht, und ich wohne in seinem Haus, in der Nähe des Sonnentores. Er ist ein geschickter und freundlicher Lehrmeister, und ich verdanke ihm sehr viel. Grüß Maia von mir. Nimm, lieber Thorion, meine höchste Wertschätzung entgegen. Ich bleibe dein gehorsamer Diener.
Es war kein großartiger Brief. Aber wenn ich ihn losschickte, würde Thorion wissen, daß ich in Sicherheit war und daß es mir gutging. Und er würde mir zurückschreiben können. Ihm mehr zu erzählen, ihm zu beschreiben, wie ich lebte, würde nur bedeuten, ihm die Kluft zu verdeutlichen, die sich zwischen uns aufgetan hatte, etwas, wovor ich mich fürchtete. So faltete ich das Blatt zusammen, siegelte es und adressierte es: »An den vortrefflichen Herrn Theodoros, Sohn des Theodoros, im Amt des prätorianischen Präfekten.« Auf diese Weise müßte der Brief ihn erreichen.
Ich stand auf, goß mir einen Schluck Wasser ein, dann ging ich hinunter und nahm den Brief mit. Es war der Abend vor dem Sabbat, und die Familie war unten und stellte Kerzen auf. Philon beobachtete die jüdischen Gesetze sorgfältig, genau wie ich Theogenes erzählt hatte. Der Sabbat wurde von allen im Haus eingehalten, sogar von den heidnischen Sklaven, obwohl diese, wie auch ich, nicht zum Gottesdienst mitgingen. Philon gehörte nicht zu den bekehrungswütigen Juden, die man manchmal auf dem Markt predigend antrifft, und er versuchte nie, mich dazu zu überreden, an irgendwelchen jüdischen Riten teilzunehmen – obwohl der jüdische Gottesdienst sich, soweit ich das beurteilen konnte, nicht allzu sehr von dem christlichen unterscheidet. Die Juden lasen die Heilige Schrift in der gleichen Übersetzung und sangen die Psalmen nach den gleichen Melodien. Die Malereien und Mosaiken ihrer Synagogen stellten vielfach die gleichen Szenen dar, wie ich sie aus der Kirche kannte, und sie beteten auf ganz ähnliche Weise. Natürlich, die alexandrinischen Juden waren ein besonderer Schlag. Viele der Gebildeten sind Platoniker, genau wie viele gebildete Christen. Ähnlich wie Adamantios kennen sie die heidnischen Klassiker sehr gut, und sie legen ihre Heiligen Schriften eher sinnbildlich aus. Philon unterschied sich von ihnen. Er gehörte einer strenggläubigen jüdischen Sekte an, die heidnische Literatur oder heidnische Philosophie ablehnte. Aber er schien wegen dieser Tatsache ziemlich verlegen zu sein und versuchte niemals, seinen Glauben irgend jemandem aufzudrängen. Deborah lächelte mir zu. »Nun, gehst du noch ein wenig aus?«
»Ich habe einen Brief an meinen Wohltäter geschrieben. Ich gehe zum Hafen hinunter, um ihn aufzugeben«, entgegnete ich.
»Möchtest du, daß ich dir etwas mitbringe?«
»Könntest du einige Oliven und ein bißchen frischen Käse kaufen?« fragte sie. »Dann brauchen wir am Sabbat nichts zu holen. Ich gebe dir das Geld dafür – hier. Danke.«
Ich sah Philon an. Er zog an seiner Unterlippe. »Da ist noch dieses Präparat für den alten
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