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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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seine Patienten zwischen die Gläubigen schmuggeln.« Athanasios sah mich an, und ich erwiderte seinen Blick. Er war klein, kleiner als ich, und das Alter hatte ihn leicht gebeugt. Er war ausgemergelt, hatte viele seiner Zähne verloren und war sehr einfach in dem grauen Gewand eines Asketen gekleidet. Er hatte einen Bart, weiß und dünn, sowie weiße Haare; seine Augen jedoch waren vollkommen klar. Es waren sehr große, dunkle Augen, wie die Augen eines Vogels, doch sehr ausdrucksvoll. Man spürte, daß ihr Blick tief unter die Oberfläche ging und bis ins Herz vordrang.
    »Bist du Arzt?« fragte Athanasios mich.
    »Ich bin Student, Eure Heiligkeit«, erwiderte ich. »Ich bin der Assistent von Philon, dem Juden. Wir haben eine Patientin, eine Christin, die wir gerne im Hospital untergebracht hätten, weil sie arm ist und ihr Mann die Stadt verlassen muß, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bin ihretwegen zum Hospital gegangen. Doch ich habe wohl einen schlechten Zeitpunkt gewählt.«
    »Was kann schon gutes von einem Juden und einem Eunuchen kommen?« fragte Archaph heftig. »Sie sind Spione und wollen noch mehr Spione und Ketzer einschmuggeln, um uns zu beobachten!«
    »Gibt es denn etwas, das sie ausspionieren könnten?« fragte Athanasios ihn und lächelte ein wenig. Dann zuckte er die Achseln. »Man kann derartige Angelegenheiten schwerlich zwischen Tür und Angel regeln. Kommt rein – du, Archaph, und du, Markus… und du, Eunuch. Der Rest von euch gehe zu seiner Arbeit zurück und bete für den Frieden. Die Stadt ist in diesem Frühjahr in Sorge und Angst und benötigt die Gebete aller gottesfürchtigen Menschen.«
    Widerwillig zerstreuten sich die übrigen Mönche, und zusammen mit Archaph und Markus betrat ich den bischöflichen Palast.
    Athanasios führte uns durch eine Eingangshalle und einen engen Hof in ein Empfangszimmer. Es war von mehreren Öllampen erhellt. In einer Ecke stand ein mit Büchern beladenes Schreibpult, in der anderen war ein Kohlenbecken aufgestellt worden. Der Raum hatte einen schachbrettartig gemusterten Fußboden ohne jede Mosaiken und war im übrigen völlig kahl. Der Erzbischof ließ sich mühsam am Schreibpult nieder und drehte seinen Stuhl herum, um uns anzusehen. Hinter ihm standen mehrere Diakone und ein weiterer Mönch. Er bedeutete uns mit einer Geste, es uns bequem zu machen, doch niemand setzte sich. Alle blieben stehen und sahen ihn an. »Also«, meinte er, »ich bitte euch, Brüder, sagt mir, was ihr wollt. Ihr habt etwas dagegen, Patienten von einem jüdischen Arzt aufzunehmen, und ihr glaubt, dieser Eunuch spioniere euch nach?«
    Archaph und Markus fingen beide gleichzeitig an zu sprechen, dann hielten sie beide inne. »Ich traue keinem Eunuchen, der behauptet, er sei Student der Medizin«, sagte Archaph schließlich. »Er gehört zu der Sorte Mensch, die den Luxus liebt, wie du selbst weißt, Heiligkeit. Und dieser hier ist ein Fremder, doch er hat sich mit einem Juden zusammengetan , obwohl er behauptet, Christ zu sein. Ich bin gerade erst in der Stadt angekommen, und ich weiß auch nicht mehr. Aber du weißt, heiliger Vater, wie sehr man uns haßt und wie viele Ränke unsere Feinde gegen uns schmieden.«
    »Gott hat uns beschützt, und er wird uns weiterhin beschützen«, entgegnete Athanasios ruhig. »Ich glaube nicht, daß der Kaiser jetzt gegen uns vorgehen wird. Aber es stimmt, daß er Männer geschickt hat, die jene beobachten sollen, die mich – so wie ihr es tut – unterstützen. Markus, kennst du diesen Eunuchen?«
    Markus zögerte. »Er ist der Assistent eines gewissen Philon, eines jüdischen Arztes. Wir haben im vergangenen Jahr auf seine Empfehlung hin mehrere Patienten aufgenommen. Manche sind gestorben, manche haben überlebt. Er und Philon besuchen sie mit großem Fleiß, obwohl sie sich kein Geld dafür erhoffen können. Wenn der eine kein Jude wäre und der andere kein Eunuch, dann würde ich in der Tat sagen, daß diese Ärzte alle beide tugendhafte Männer sind.«
    »Hast du irgendeinen Grund für den Verdacht, daß die Patienten Spione gewesen sind?«
    »Die Patienten? Nein, wirklich nicht, Heiligkeit. Es waren einfache Leute aus Alexandria. Arme Leute.«
    »Keine Juden oder Eunuchen? So, so. Ich glaube nicht, daß es etwas schaden kann, Patienten, die der Teufel schickt, aufzunehmen, sofern sie Christen und auf Barmherzigkeit angewiesen sind. Mein Bruder Archaph ist äußerst eifrig und der Kirche treu ergeben, doch ich glaube, sein

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