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Der Leuchtturm von Alexandria

Der Leuchtturm von Alexandria

Titel: Der Leuchtturm von Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Bradshaw
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Eifer hat ihn hier wirklich ein wenig überwältigt, wie? Eunuch – wie ist dein Name? Bist du ein Christ?«
    »Ja, Heiligkeit«, sagte ich und war sehr erleichtert. Wir hörten es jetzt aus dem Munde des Erzbischofs selbst, daß das Hospital unsere Patienten aufnehmen mußte. »Ich bin Chariton, Herr, aus Ephesus, ein nizäischer Christ.«
    »Warum arbeitest du dann mit einem Juden zusammen?« Die klaren Vogelaugen sahen mich erneut durchdringend an. »Wie tugendhaft dein Meister auch immer sei, es überrascht mich, daß ein Eunuch aus Ephesus, ein Mann von Bildung und guter Erziehung sowie ein Student der Medizin, sich mit einem Juden aus Alexandria zusammentut. Das ist wie geschaffen dafür, Argwohn zu wecken bei Leuten wie Archaph, die Grund dazu haben, argwöhnisch zu sein.«
    Ich lächelte und bewunderte insgeheim die Beobachtungsgabe des alten Mannes. Ich hatte nur ein paar Worte mit ihm gesprochen, und er hatte mich bereits als Mensch von vornehmer Abkunft erkannt. Dieser von Ischyras und Maia so sorgfältig anerzogene Akzent! »Als ich in Alexandria ankam, Eure Heiligkeit, habe ich mich bemüht, bei anderen Ärzten zu studieren, aber sie wollten nicht mit einem Eunuchen zusammenarbeiten. Mein Meister Philon ist ein sehr hochherziger Mann, Herr, ein wahrer Anhänger des Hippokrates, und ich bin sehr zufrieden mit der Ausbildung, die ich bei ihm erhalte.«
    »Ein wahrer Anhänger des Hippokrates! Und das bedeutet dir mehr, als wenn er ein Anhänger Christi wäre! Ich vertraue darauf, daß sich seine Ausbildung auf die Medizin beschränkt und dein christlicher Glaube vor ihm sicher ist.«
    Mir fiel so rasch keine Antwort darauf ein, und Athanasios beobachtete mich mit einem Ausdruck heimlichen Vergnügens.
    »Philon ist ein tugendhafter Mann«, sagte ich endlich. »Er würde seinen Glauben niemals jemandem aufdrängen. Und er hält sich immer und überall an den Eid des Hippokrates.«
    »Ich bin froh, dies zu hören«, meinte Athanasios milde.
    »Was genau schwört ihr in jenem Eid? Niemanden auszuspionieren?«
    »›Was auch immer ich entdecken mag, was ich nicht offenbaren sollte, ich werde es geheimhalten.‹ Ich glaube, dies schließt die Verpflichtung ein, nicht zu spionieren.«
    »Und seine christlichen Patienten vertrauen ihm? Du sagtest, ihr hättet im Augenblick eine Patientin, die du gerne im Hospital unterbringen möchtest, war es nicht so?«
    »Seine christlichen Patienten können ihm vertrauen, Eure Heiligkeit. Ja, da ist eine Frau mit Kindbettfieber. Sie hat niemanden, der sich um sie kümmert.«
    Athanasios schwieg einen Augenblick. Er starrte mich bloß an, dann runzelte er plötzlich die Stirn. Archaph bemerkte es, wurde ganz aufgeregt und blickte mich von neuem mißtrauisch und feindselig an. Der Erzbischof bemerkte es. »Nein«, sagte er zu dem Mönch, »du hast unrecht, Bruder, er ist nicht unser Feind. Aber Gott hat mir soeben etwas offenbart. Junger Mann, ich muß einen Augenblick mit dir allein sprechen. Markus, Archaph, ich bitte euch, eure Angst und euren Zorn zu vergessen. Geht und kümmert euch barmherzig um die Patientin dieses jungen Mannes. Betet für uns, Brüder, so wie wir für euch beten werden.« Er segnete sie, und mit einem überraschten Blick auf ihn und einem Blick unverhüllter Neugier auf mich zogen sie ab. Athanasios nickte auch den Männern aus seinem Gefolge zu. »Laßt uns für einen Augenblick alleine«, befahl er ihnen. »Ich muß mit diesem Eunuchen unter vier Augen sprechen.«
    Sie zogen sich zurück und starrten mich ohne große Verwunderung, jedoch einigermaßen neugierig an, so als seien göttliche Enthüllungen nichts Ungewöhnliches, ihre jeweilige Art jedoch ein Grund tiefen Nachdenkens. Ich fühlte mich äußerst unbehaglich. Mir waren die durchdringenden Augen des Erzbischofs unheimlich. Was mochte Gott ihm enthüllt haben? Ich zog es vor, Gott aus dem Spiel zu lassen. Bischof Athanasios war schon aus eigenen Gnaden überzeugend genug.
    »So«, sagte er, als die anderen gegangen waren. »Wie lautet dein richtiger Name, junge Frau?«
    »Was?« fragte ich ihn. »Ich verstehe nicht.«
    Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Du verstehst sehr wohl. Chariton… vielleicht heißt du Charis? Warum hast du dich verkleidet und täuschst einen Eunuchen vor?«
    Ich fühlte mich ein bißchen wacklig in den Knien, und mein Gaumen war ganz trocken. Ich wußte schon wieder nicht, was ich sagen sollte. Leugnen? Oder zugeben und ihn bitten, es niemandem zu

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