Der Leuchtturm von Alexandria
dem Herrn anheimzugeben, als auf die Könige dieser Welt zu bauen!«
»Denn seine Güte währet ewiglich!«
»Eine große Menge umzingelt mich, aber im Namen des Herrn werde ich sie vernichten!«
»Denn seine Güte währet ewiglich!«
»Sie umkreisen mich wie Bienen; aber sie werden gelöscht wie das Feuer im Dornbusch: Denn im Namen des Herrn werde ich sie vernichten! Der Herr ist meine Kraft und mein Gesang, und er ist meine Rettung!«
»Denn seine Güte währet ewiglich!«
Wir erreichten den bischöflichen Palast an der Spitze einer riesigen Menge. Der Pöbel tanzte am dunklen Ufer des Hafens entlang, unzählige Fackeln spiegelten sich in den Wellen. In ihrem Licht hob sich das äußerste Ende des Hafenbeckens, dort wo die Fischerboote auf den stinkenden Schlick des Strandes heraufgezogen worden waren, gegen das dunkel schimmernde Wasser schwarzdrohend ab. Der Palast war viel kleiner als das Haus meines Vaters, und wenig an ihm deutete auf seinen Bewohner hin. Ich wäre einfach daran vorbeigelaufen, doch die Menge wußte, wer dort residierte. Die Menschen blieben unvermittelt davor stehen, ergossen sich über die niedrige Mauer, die die Straße vom Meer trennte, trampelten auf dem morastigen Strand herum, schlugen gegen die Außenwände der Fischerboote und sangen und psalmodierten.
Einige Männer in dunklen Umhängen – Mönche oder Priester kamen an die Tür des Hauses und warfen einen Blick auf uns, dann gingen sie wieder in das Haus zurück. Einen Augenblick später erschien ein kleiner, schwarzgekleideter alter Mann in der Tür, blieb dort stehen, und die Menge schrie: »Athanasios! Athanasios! Athanasios!« Ich dachte, der Erdboden erzittere.
Der Erzbischof hob seine Hände empor, und das Volk war still. Einen Augenblick lang war es so ruhig, daß ich das prasselnde Geräusch der Fackeln und das leise Plätschern der Wellen im Hafen hören konnte. Ich vernahm den Seufzer, mit dem der Pöbel um mich herum den Atem anhielt, ja das Schlagen meines eigenen Herzens. Zwischen den Mönchen eingekeilt, wurde mir schwindelig. Es lag ein Gestank nach Hafenabwässern, ungewaschenen Körpern und Schweiß in der Luft.
»Geliebte Brüder«, rief der Erzbischof, »was bedeutet dieser Aufruhr?«
Wieder entstand ein Schweigen, dann fingen viele Leute gleichzeitig zu schreien an. Der Erzbischof hob seine Hände von neuem und richtete einen fragenden Blick auf die Mönche des Hospitals.
Archaph sprang vor und warf sich vor dem Erzbischof nieder.
»Heiliger Vater!« rief er aus. »Wir haben gehört, daß die Gottlosen die Absicht haben, dich von uns zu nehmen, und wir fürchten uns!«
Erzbischof Athanasios seufzte. »Fürchtet euch nicht«, rief er laut und deutlich. Er hatte eine außerordentlich mächtige Stimme für einen derart zierlichen, alten Körper, und er sprach keineswegs – wie viele alte Leute – undeutlich oder zögernd. Wenn man die Augen schloß, hätte man meinen können, da spräche ein junger Mann. »Ich habe dieses Gerücht ebenfalls vernommen, doch es ist falsch. Der ägyptische Heerführer hat seine Truppen aus Furcht vor Tumulten wegen der bevorstehenden Osterfesttage nach Alexandria marschieren lassen, mehr ist an der Angelegenheit nicht dran. Ich habe mich bei dem Heerführer erkundigt und habe zu meiner Zufriedenheit erfahren, es werde nichts passieren. Der Heerführer hat mir versichert, daß seine Truppen nichts unternehmen werden, es sei denn, das Volk zettele einen Aufruhr an. Deshalb, meine Brüder, bitte ich euch, nach Hause zu gehen und mir meine Nachtruhe zu gönnen. Tumulte wie dieser werden nichts anderes bewirken als ein Frohlocken unter den Gottlosen, die nur darauf warten, uns des Aufruhrs zu bezichtigen.«
Die Menge brüllte: »Athanasios! Herr Ägyptens! Gütiger Nil!«
Sie begann erneut zu singen, diesmal den Siegespsalm. Jemand klatschte erneut Beifall. Athanasios nickte ihnen zu, machte des Zeichen des Kreuzes und winkte sie mit einer segnenden Gebärde seiner Hände in die Nacht hinaus. Der größte Teil der Menge fing an, sich zu zerstreuen. Nur die Mönche, die mich bewachten, zögerten noch.
Der Erzbischof erleichterte ihnen ihren Entschluß. »Gibt es noch etwas, meine Brüder?« fragte er. »Archaph aus Thebais! Ich wußte nicht, daß du in Alexandria bist.«
Der Mönch sah ihn an, äußerst geschmeichelt, erkannt worden zu sein. »Wir haben diesen Eunuchen hier im Hospital ergriffen«, erzählte er dem Bischof. »Ich glaube, er ist ein Spion. Er möchte
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