Der Leuchtturm von Alexandria
Ich bekam es mit der Angst zu tun. »Herr«, wiederholte ich betont langsam und versuchte, das Zittern meiner Hände zu verbergen, »ich bin wegen einer Patientin gekommen. Die Brüder hier kennen mich. Ich bin schon des öfteren wegen irgendwelcher Patienten gekommen. Noch nie aus einem anderen Grund. Du hast unrecht, Herr.«
Der starre Ausdruck in den Augen einiger Mönche verlor sich. Markus nickte. »Er ist ein guter Arzt«, meinte er an den Fremden gewandt. »Er und sein Meister behandeln die Kranken umsonst. Wir haben keinen Grund zu glauben, er könne unser Feind sein.«
»Das ist nur die heimtückische Gerissenheit des Teufels!« rief der Fremde. »Wir haben gerade gehört, daß der falsche Gott, der Kaiser aller Ketzer, unseren Herrn und Vater, Bischof Athanasios, absetzen und vertreiben will. Wir kommen zusammen, um zu beten und zu beraten, was wir deswegen unternehmen können, und siehe da! Ein Eunuch, genau wie so ein Eunuch vom Hof, spaziert hier herein, steht einfach da und belauscht uns, ohne Zweifel mit der Absicht, zurückzugehen und alles Gehörte weiterzugeben! Er ist ein Spion!«
Ich rührte mich nicht vom Fleck. Ich wußte, daß sich auf der Stelle mindestens einige der Mönche auf mich gestürzt hätten, falls ich es doch tun sollte. Ich sah jetzt, daß sie selbst Angst hatten. Große Angst. Ich fragte mich, was sie wohl in ihrer Muttersprache so erregt miteinander besprachen – etwas, das ihnen vielleicht sogar die Todesstrafe einbringen konnte. Ob es stimmte, daß der Erzbischof von neuem des Landes verwiesen werden sollte? Ich dachte an das Kampfgetümmel unten bei den Schiffswerften, dessen Lärm ich gehört hatte. Wahrscheinlich lag der Grund dafür in dem gleichen Gerücht. Aber mehr als ein Gerücht konnte es nicht sein. Es hatte keine öffentliche Bekanntmachung gegeben: Ich hätte heute morgen im Tempel bestimmt davon gehört.
»Ich habe überhaupt nichts gehört«, sagte ich, »und ich weiß nichts von einer Verbannung. Freunde, ich bezweifle, daß etwas Wahres an diesem Gerücht ist. Ich bin kein Spion. Ich verstehe nicht einmal koptisch.« Ich hielt inne und überlegte verzweifelt, was ich sonst noch sagen könnte.
Der fremde Mönch spuckte verächtlich aus und brüllte: »Alles Lügen!«
»Dann glaubt mir eben nicht!« fuhr ich ihn meinerseits wütend an und vergaß meine Geduld. »Es stimmt trotzdem. Und ich nehme an, daß die Brüder hier besser Bescheid wissen als du. Du bist ein Fremder hier, oder?«
Im ganzen Raum konnte man das Scharren vieler Füße vernehmen. Die Mönche sahen den Fremden an, sahen mich an und sahen sich gegenseitig an. Immer noch rührte sich keiner, um über mich herzufallen. Selbst wenn sie es täten, bezweifelte ich, daß sie mich töten würden. Die unvermeidliche Entdeckung, daß ich in Wirklichkeit eine Frau war, würde ihnen sofort Einhalt gebieten. Dieser Gedanke machte mich selbstsicherer. »Wo hast du von dieser Verbannung gehört?« fragte ich den Fremden und redete schnell in die Stille hinein, bevor er von neuem Verdächtigungen gegen mich vorbringen konnte. »In der Stadt ist nichts davon bekanntgegeben worden.«
»Sie haben den Nil hinunter Truppen in Bewegung gesetzt«, entgegnete der Fremde und bedachte mich mit einem feindseligen Blick. »Und die Soldaten sagen, daß sie in der Stadt für Ordnung sorgen sollen, weil man Aufstände erwartet. Aber das weißt du doch ganz genau, Sohn der Verdammnis. Ich bin den Nil heruntergekommen, um die Brüder vor diesen Ereignissen zu warnen – du siehst, ich habe keine Angst vor dir! Ich bin Archaph, ein Diener Gottes und des Erzbischofs, und ich werde ihnen bis zu meinem Tode dienen!«
»Und diese Brüder hier«, entgegnete ich ihm scharf, »stehen ebenfalls im Dienste Gottes und des Erzbischofs. Ihr Dienst besteht darin, sich um die Kranken zu kümmern, und davon scheinst du, Archaph, sie durch wilde Gerüchte über Truppenbewegungen abzuhalten. Meine Patientin ist schwer krank; sie ist sehr jung, hat große Schmerzen und ist ganz allein mit ihrem Säugling, um den sich niemand kümmert – und was ist mit den übrigen Kranken hier, während wir herumstehen und uns gegenseitig anbrüllen? Sie könnten sterben, und niemand ist mehr da, um ihnen beizustehen!«
Jetzt machten Markus und einige der übrigen Mönche einen besorgten Eindruck. Doch Archaph sagte: »Wenn es nach den Ketzern geht, werden sie alle sterben. Wenn wir alle wegen unseres Glaubens verfolgt werden und in das Gefängnis
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