Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
wieder diesen merkwürdigen Ausdruck in ihren Augen zu sehen, aber dann wischte er den Gedanken beiseite und trank einen Schluck Wein. Heute Abend würde er bestimmt nicht einschlafen.
»Sind alle da?«, fragte Patrik. Die Frage war rhetorisch. Er konnte die wenigen Anwesenden auf einen Blick erfassen und hatte lediglich das Gemurmel in der Küche dämpfen wollen.
»Ja«, sagte Annika.
»Wir haben einiges zu besprechen.« Patrik tippte auf den großen Schreibblock, auf dem er sich bei solchen Sitzungen für alle sichtbar Notizen machte.
»Zunächst einmal geht es den Jungs gut. Aller Voraussicht nach werden sie keine bleibenden Schäden davontragen.«
»Gott sei Dank.« Annika wirkte erleichtert.
»Ich dachte, wir reden später noch ausführlicher über den Kokainfund und gehen jetzt erst einmal durch, was im Laufe des Tages noch passiert ist. Wie sieht es mit dem Inhalt der Aktentasche aus?«
»Noch wissen wir nichts Konkretes«, sagte Paula rasch, »erfahren aber hoffentlich bald mehr.«
»Unmengen von Abrechnungsunterlagen waren in der Tasche.« Gösta warf einen Blick in Paulas Richtung. »Da wir uns mit solchem Kram nicht richtig auskennen, haben wir das Ganze Lennart, dem Mann von Annika, gegeben. Er sieht sich die Sachen mal an, bevor wir sie eventuell weiterreichen.«
»Gut«, sagte Patrik. »Wann wollte sich Lennart melden?«
»Übermorgen«, sagte Paula. »Bei der Untersuchung des Handys ist nichts Interessantes rausgekommen. Den Computer habe ich an die technische Abteilung geschickt. Wann wir von denen ein Ergebnis bekommen, steht in den Sternen.«
»Wahnsinnig frustrierend, aber wir können nichts dagegen machen.« Patrik verschränkte die Arme vor der Brust. Lennart – Mittwoch hatte er groß auf den Block geschrieben.
»Was hat denn Sverins alte Flamme erzählt?«, fragte Mellberg. Alle zuckten zusammen, und Patrik sah ihn verwundert an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Mellberg auch nur einen blassen Schimmer vom Verlauf der Ermittlungen hatte.
»Mats war am Freitagabend bei ihr, ist aber im Laufe der Nacht wieder abgefahren.« Er schrieb die Angaben auf den Block. »Das begrenzt den zeitlichen Rahmen des Mordes. Er kann sich frühestens in der Nacht zum Samstag ereignet haben, das passt zu dem Geräusch, das der Nachbar gehört hat. Die Ergebnisse von Pedersen helfen uns hoffentlich, den Zeitpunkt genau zu bestimmen.«
»Hat sie einen zwielichtigen Eindruck auf euch gemacht? Vielleicht war da eine alte Liebelei im Spiel?«, fragte Mellberg weiter. Ernst, der auf Mellbergs Füßen lag, reagierte auf den Tonfall seines Herrchens und hob neugierig den Kopf.
»Zwielichtig ist nicht der Ausdruck, den ich verwenden würde, um Annie zu beschreiben, aber sie wirkte ein wenig abwesend. Sie wohnt im Moment mit ihrem Sohn auf der Insel und scheint seit Jahren keinen Kontakt zu Mats gehabt zu haben. Das entspricht der Aussage seiner Eltern. An diesem Abend haben sie anscheinend ein paar Erinnerungen aufgefrischt.«
»Warum ist er mitten in der Nacht weggefahren?« Annika wandte sich automatisch an Martin, der ihren Blick beleidigt erwiderte. Er war inzwischen ein anständiger Familienvater, hatte aber ein überaus aktives Liebesleben mit wöchentlich wechselnden Auserwählten hinter sich und musste sich noch immer hin und wieder eine kleine Stichelei gefallen lassen. Seit er Pia kannte, lebte er vollkommen anders und hatte diesen Schritt nie bereut.
Nun dachte er widerwillig an die alten Zeiten zurück.
»Was ist daran so verwunderlich? Manchmal will man sich eben die morgendlichen Gespräche ersparen, wenn man seinen Spaß gehabt hat.« Alle sahen ihn amüsiert an, aber er zuckte gelassen mit den Schultern. »Was denkt ihr denn? Jungs sind eben Jungs.« Er wurde so rot, dass seine Sommersprossen glühten.
Patrik konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, wurde aber schnell wieder ernst.
»Ganz abgesehen von seinen Beweggründen wissen wir jetzt, dass er in der Nacht zum Samstag zurückgefahren ist. Es stellt sich jedoch die Frage, wo sein Boot abgeblieben ist. Das müsste er ja mit nach Hause genommen haben.«
»Habt ihr mal bei eBay geguckt?« Gösta nahm sich einen Keks und stippte ihn in seine Kaffeetasse.
»Ich habe mir gestern ein paar Kleinanzeigenmärkte im Internet angesehen, aber da ist es bislang nicht aufgetaucht«, sagte Patrik. »Das Boot ist vermisst gemeldet, und mit der Küstenwache habe ich auch gesprochen, die Männer halten also die Augen offen.«
»Was
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