Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
er ja bald wieder zu Hause.
Gunnar erwartete ihn auf Badholmen hinter der Steinbrücke.
»Ich begreife nicht, wo das Boot abgeblieben ist.« Er nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Kopf.
»Könnte es nicht abgetrieben sein?«, fragte Patrik. Er begleitete ihn zu dem leeren Anlegeplatz.
»Das Boot ist weg, mehr weiß ich auch nicht.« Gunnar schüttelte den Kopf. »Matte hat es immer ordentlich vertäut, das hat er schon als kleiner Junge gelernt. Außerdem gab’s ja nicht gerade ein Unwetter, und ich kann mir kaum vorstellen, dass sich das Boot von allein losgerissen hat.« Wieder schüttelte er den Kopf, diesmal mit noch mehr Nachdruck. »Irgendein Mistkerl muss es gestohlen haben. Was er mit dem alten Kahn wollte, will mir allerdings nicht in den Kopf.«
»Die eine oder andere Krone bekommt man schon dafür.« Patrik ging in die Hocke. Er ließ den Blick über den Bootsanleger schweifen und stand dann wieder auf. »Sobald ich in der Dienststelle bin, mache ich Meldung. Für den Anfang könnten wie schon mal nachsehen, ob drüben bei der Küstenwache jemand da ist. Sie können ja nach dem Boot Ausschau halten, wenn sie unterwegs sind.«
Ohne etwas darauf zu erwidern, trottete Gunnar hinter Patrik her. Stumm wanderten sie an den Bootshäusern vorbei zu dem Kai, wo die Küstenwache ihr Büro und ihre Flotte hatte. Es schien niemand dort zu sein, und als Patrik an der Tür rüttelte, war sie verschlossen. Als er jedoch sah, dass sich hinter den Scheiben des kleinsten Boots, der MinLouis , etwas rührte, klopfte er an. Auf dem Achterdeck tauchte ein Mann auf, und Patrik erkannte Peter, der ihnen an diesem unglückseligen Tag nach dem Mord an der Teilnehmerin von »Raus aus Tanum« geholfen hatte.
»Hallo, womit kann ich dienen?« Lächelnd trocknete er sich die Hände ab.
»Wir suchen ein verschwundenes Boot.« Patrik deutete auf die Anlegestelle. »Gunnars Boot ist nicht da, wo es sein sollte, und wir haben keine Ahnung, wo es abgeblieben sein könnte. Wir dachten, Sie könnten vielleicht danach schauen, wenn Sie wieder rausfahren.«
»Ich habe gehört, was passiert ist.« Peter nickte Gunnar zu. »Mein Beileid. Wir helfen natürlich gern. Denkt ihr, es könnte sich selbständig gemacht haben? In dem Fall ist es bestimmt nicht weit gekommen. Ich würde schätzen, dass es in Richtung Ort und nicht aufs Meer hinaus getrieben ist.«
»Nein, wir nehmen an, dass es gestohlen wurde«, sagte Patrik.
»Tja, die Leute sind schlimm.« Peter schüttelte den Kopf. »Haben Sie nicht ein Holzboot, Gunnar? Mit blauer oder grüner Persenning?«
»Sie ist grün. Und am Heck steht Sophia .« Er drehte sich zu Patrik um. »Ich habe für Sophia Loren geschwärmt, als ich jung war. Als ich Signe kennenlernte, fand ich, dass sie ihr wahnsinnig ähnlich sah. Deswegen heißt das Boot so.«
»Dann weiß ich Bescheid. Ich drehe nachher eine kleine Runde und werde sehen, ob ich Sophia irgendwo finde.«
»Danke«, sagte Patrik. Er sah Gunnar nachdenklich an. »Sind Sie sicher, dass Mats das Boot als Letzter benutzt hat?«
»Nein, ganz sicher bin ich mir nicht.« Gunnar zog die Worte in die Länge. »Er hat aber gesagt, dass er Annie einen Besuch abstatten wollte, und daher nahm ich an …«
»Für den Fall, dass er das Boot nicht genommen hat: Wann haben Sie es zuletzt gesehen?«
Nachdem Peter wieder in die Kajüte gegangen war und dort weiterarbeitete, standen Patrik und Gunnar allein am Kai.
»Das wäre dann am Mittwoch gewesen. Warum fragen Sie nicht einfach Annie? Haben Sie schon mit ihr gesprochen?«
»Wir wollten morgen hinfahren. Ich werde sie danach fragen.«
»Gut«, erwiderte Gunnar tonlos. Dann zuckte er zusammen. »Mein Gott, sie weiß es ja noch gar nicht. Wir haben ganz vergessen, sie anzurufen.«
Patrik legte ihm besänftigend die Hand auf die Schulter.
»Sie hatten andere Dinge im Kopf. Ich sage es ihr, wenn wir dort sind. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken.«
Gunnar nickte.
»Soll ich Sie nach Hause fahren?«, fragte Patrik.
»Dafür wäre ich Ihnen dankbar«, seufzte Gunnar erleichtert und folgte Patrik zum Wagen. Schweigend fuhren sie nach Mörhult.
Fjällbacka 1871
A llmählich taute das Eis. In der Aprilsonne schmolz der Schnee, und auf der Insel zeigten sich winzige grüne Fleckchen in den Felsspalten. Verschwommen erinnerte sie sich an das, was passiert war. Die kreisende Zimmerdecke, der Schmerz und Bruchstücke ihrer Gesichter. Manchmal überkam sie die Angst so heftig, dass Emelie
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